Enzymtherapie als adjuvante Krebstherapie
Vortrag anläßlich des 1. Wissenschaftlichen Kongresses der
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V., 26. - 28. April 1985
Enzyme. Sie kommen nicht nur im Magen- und Darm-Trakt der höheren Lebewesen, im Pankreas und in den Elementen des weißen Blutbildes vor, sondern auch, jedoch mit abgewandelten Eigenschaften, in Bakterien, Pilzen und Hefen sowie in Pflanzen.
Die Enzyme aus Bakterien, Pilzen und Hefen spielen in der Ernährung und heute in der Biotechnologie eine große Rolle, haben sich jedoch bislang wegen einiger unerwünschter Nebenwirkungen in der Therapie nicht durchsetzen können. Medizinische Bedeutung erlangten nur die tierischen Verdauungsenzyme und die pflanzlichen Enzyme Papain aus der Papaya und Bromelain aus dem Stamm und den unreifen Früchten der Ananaspflanze. Der Schwerpunkt der tierischen Enzyme liegt bei der Substitution von Verdauungsenzymen für Patienten mit Enzymmangel, z. B. bei Pankreasinsuffizienz. Enzymgemische aus tierischen und pflanzlichen Enzymen haben häufig den Nachteil der gegenseitigen Unverträglichkeit: bei gemeinsamer Verarbeitung und Lagerung zerstören sich die Enzyme gegenseitig.
Proteolytische Enzyme, die zur adjuvanten Krebstherapie eingesetzt werden, sollten nachweislich eine Kombination von wichtigen Eigenschaften aufweisen: gute Resorption aus dem Darmtrakt, nachgewiesene Wirksamkeit bei oraler Gabe, fibrinolytische Wirkung, Thrombozytenaggregationshemmung, pharmakologischer Wirksamkeitsnachweis bezüglich der Wirkung auf Fibrin und andere eiweißhaltige Ablagerungen, klinische Erfahrungen beim Krebspatienten, selbst bei hoher Dosierung und Dauertherapie keine starken unerwünschten Nebenwirkungen, wie Reizungen der Darmwand oder Allergisierung des Patienten.
Diese Forderungen werden vorzüglich erfüllt durch das Enzym Bromelain, das heutzutage aus dem Stamm der Ananaspflanze Ananas comosus gewonnen wird. Dabei kommt es anscheinend nicht nur auf die proteolytischen Enzyme, sondern auch auf die Begleitenzyme an, die in ihrer Art und Wirksamkeit noch nicht vollständig erforscht sind - ein schwieriges Unterfangen bei einem Naturstoff mit komplexer Zusammensetzung.
Zur Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt und zur nachgewiesenen Wirksamkeit bei oraler Gabe sind insbesondere die Arbeiten von Uhlig, Seifert und Brendel zu nennen. Im Tierversuch konnten sie nachweisen, daß Ratten bis zu 40 % des angebotenen Bromelains in großmolekularer Form resorbieren können. Die Enzyme gelangen in die Blutbahn und lassen sich dort durch ein Kaninchenserum mit Antikörpern gegen Bromelain nachweisen. Smyth, Brennan und Martin konnten am Kaninchen den indirekten Nachweis bei oraler Gabe führen. Sie stellten schon bei niedrigen Dosierungen einen Anstieg der Plasminwerte, der Prothrombinzeit und des Antithrombinspiegels fest. Ako, Cheung und Matsuura isolierten aus dem Bromelain einen Aktivator für körpereigene fibrinolytische Enzyme.
Netti, Bandi und Pecile stellten vergleichende Untersuchungen zur antiphlogistischen Wirkung von oral applizierten proteolytischen Enzymen an. Pankreasenzyme, Bromelain und Ficin zeigten gute Wirkungen. Papain und eine bakterielle Protease erwiesen sich als wirkungslos.
Dvorak und Mitarb. sowie Taussig und Mitarb. konnten an bösartigen Zellkulturen die fibrinolytische Wirkung des Bromelains beweisen. Bestimmte maligne Zellkulturen zeigten
unter Bromelainzugabe eine signifikante Wachstumshemmung. Dagegen blieben normale Fibroblasten der Mäuseembryos unbeeinflußt.
Ausgelöst wurden die neueren klinischen und pharmakologischen Forschungen durch einen klinischen Erfahrungsbericht, den Gerard 1972 veröffentlichte. Durch die Behandlung von metastasierenden Karzinomen mit Bromelain konnte er in einer Anzahl von Fällen die Krebsknoten zur Auflösung bringen. Nach anfänglicher Skepsis schlossen sich andere, wie
z. B. Nieper, Taussig, Goldstein und Rilling an und führten Bromelain als Bestandteil einer adjuvanten Therapie in der Onkologie ein. Dabei wurde empirisch festgestelt, daß die optimale Dosierung bei etwa 2 g Bromelain pro Tag liegt, in Sonderfällen bis zu 4 g pro Tag. Diese hohe Tagesdosis macht ein Präparat mit möglichst hohem Bromelaingehalt pro Tablette erforderlich. Das höchstdosierte Präparat in Deutschland enthält 200 mg Bromelain.
Wie Taussig und andere in einer Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten im Tierversuch zeigen konnten, erhöht oral gegebenes Bromelain in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden die Überlebensrate von tumortragenden Tieren beträchtlich. Bei vorbeugender Gabe vor der Inplantation von Krebszellen wird das Auftreten der Krebsgeschwulst signifikant verzögert. Außerdem verringert Bromelain in vielen Fällen die unerwünschten Nebenwirkungen der Strahlen- oder Cystostatica-Therapie. Auch im Endstadium der Krebskrankheit wird Bromelain mit gutem Erfolg eingesetzt: Das Enzym kann zwar das Tumorleiden kaum noch beeinflussen, jedoch werden die Toxine abgebaut, die den Stoffwechsel des Krebspatienten zusätzlich belasten.
Eine Anzahl von Wissenschaftlern hat sich eingehend mit der Toxizität von Enzymen bei hochdosierter langfristiger Anwendung befaßt, unter anderem die Arbeitsgruppe Martin.
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