Prof. Dr. Werner Zabel

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HIPPOKRATES

Zeitschrift für praktische Heilkunde
31. Jahrgang 1960 // Heft 22, Seite 751-760
Hippokrates-Verlag GmbH, Stuttgart 

Organ der ärztlichen Gesellschaft für Hydrotherapie, Physiotherapie - Kneippärztebund e.V., Bad Wörishofen

Organ des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren e.V., Stuttgart

Organ der Ärzte-Gesellschaft für Naturheilverfahren, Berlin

Organ der ärztlichen Forschungs- und Arbeitsgemeinschaft für Chiropraktik (FAC) e.V., Hamm (Westf.)

Sonderdruck

Ganzheitsbehandlung der Geschwulsterkrankungen 

Nach einem Vortrag auf der Tagung des Zentral-Verbandes für Naturheilverfahren im September 1960 in Freudenstadt.)

Von Werner Zabel


Ganzheitsbehandlung der Geschwulsterkrankungen (Nach einem Vortrag auf der Tagung des Zentral-Verbandes für Naturheilverfahren im September 1960 in Freudenstadt.)

Von Werner Zabel

Die Behandlung der Inoperablen, die heute im wesentlichen in Bestrahlungen, in der Verabreichung von Hormonen, Zytostatika, radioaktiven Isotopen und der Gabe von Narkotika besteht, ist in ihrer Auswirkung durch Herberger [6] so meisterhaft beschrieben worden, daß damit der Anfang einer für den Kranken unendlich segensvollen Umstellung des
ärztlichen Denkens ohne Zweifel gegeben ist. Das bedingt aber, daß erst drei Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

1. Genau wie für den Tuberkulösen müssen Krankenhäuser mit besonderen Einrichtungen geschaffen werden.

2. Es muß von der Versicherungsseite aus, ebenfalls wie bei den Tuberkulösen, die Möglichkeit geschaffen werden, daß ein solcher Kranker längere Zeit behandelt werden kann.

3. Es müssen besondere Ärzte herangezogen werden. Es ist zu hoffen, daß es keine Spezialisten sind. Was hier verlangt wird, sind neben allen Kenntnissen vor allem menschliche Qualitäten auf Seiten des Arztes, denn die Behandlung inoperabler Geschwulstkranker setzt eine beinahe unvorstellbare seelische Leistung voraus.

Aus diesen Gründen konnte ich mich leichter von der Behandlung dieses Themas trennen. Draußen in der Praxis sind wir heute weder in den Methoden, dem Aufbau einer solchen Organisation, noch in der Ernährung so weit, daß die Vorbildung des Arztes genügen würde, eine solche Aufgabe zu übernehmen, die - wie ich schon sagte - in hoffentlich baldiger Zukunft die Aufgabe besonderer Krankenhäuser werden muß.

Viel fruchtbarer ist aber die Fragestellung, die ich für den Praktiker heute darstellen will:

Welche Möglichkeiten und welche Aufgaben hat der Praktiker im Augenblick, in dem er die Diagnose Karzinom stellt?

Wenn heute bei einem Kranken die Diagnose Karzinom gestellt wird, so hat dieser nach der überzeugenden Statistik von Bauer nur in 17,9% der Fälle die Aussicht, den Fünfjahrestag dieser Feststellung zu überleben.

B a u e r [ 1 ] kommt nämlich in dem Kapitel „Absolute Heilziffern aller Krebserkrankungen“ zu einer sehr interessanten Kritik an der bisherigen Statistik und weist nach, welcher Unterschied zwischen einer Erfolgsstatistik ausgewählter Fälle und einer ungeschminkten Statistik besteht. Wenn man, wie Bauer das getan hat, seine Statistik auf 10.000 Krebskranke berechnet, so muß man bedenken, daß zwei Drittel der Geheilten immer noch auf das Konto der Haut- und Genitalkarzinome kommen. Wie niederziehend gering für alle anderen Karzinome die Erfolgsaussichten sind, zeigte ich schon früher [18] in einer Tabelle.

Wir sind uns darüber klar, daß in den heutigen Erfolgsaussichten kein Triumph unserer Therapie liegt. Der Kranke, dem diese Zahlen auch nicht mehr ganz unbekannt geblieben sind, sieht sich nach einer Therapie um, die für ihn günstigere Ergebnisse zeitigt.

Es ist außerordentlich schwer zu sagen - und ich konnte bisher keine genaue Statistik darüber finden -, wieviel Prozent der Patienten, die sich zur Untersuchung wegen eines Karzinoms begeben, bei der Diagnosestellung schon als inkurabel zu gelten haben. Nur H e r b e r g e r führt an, daß heute noch 50 bis 70% aller Krebskranken schon inkurabel sind. Diese Kranken bilden also sowohl für die Chirurgie als auch für die Röntgenologie aussichtslose Fälle, bei denen man mit einer vollen Wiederherstellung nicht rechnen darf.

Man kann hier nur mit Bauer [2] sagen: "Was wir vom Krebs wissen, ist viel; was wir vom Krebs nicht wissen, ist leider, leider sehr viel mehr." Und man muß weiter sagen, daß es heute nicht mehr zu verantworten ist, bei der Behandlung des Karzinoms als Arzt sich nur auf den chirurgischen Eingriff und die Bestrahlung zu verlassen. Das ist auf dem letzten Internationalen Chirurgenkongreß ausgesprochen worden und auch den Patienten nicht unbekannt geblieben. Wir stehen hier vor einer Neuausrichtung unseres Denkens, und es ist begreiflich, daß jedes Umdenken Schwierigkeiten bereitet.

In einer solchen Lage ist es notwendig, klar zu erkennen, worin die wesentlichen Kennzeichen der bisherigen und auch der neuen Art, die Dinge zu betrachten, liegen. Die gesamte ungeheure Arbeit, die auf diesem Gebiete geleistet wurde, ging von der Vorstellung aus, daß eine Rettung des Kranken nur dann möglich sei, wenn eine von außen kommende, von ärztlichen Maßnahmen gesteuerte Vernichtung der Krebszelle - sei es mit dem Messer, sei es mit dem Röntgenstrahl - erreicht werde. Am extremsten vielleicht drückte dies Bauer [2] aus, indem er sagt: "Gibt es also keine Sanatio naturalis, so ist jeder Fall, der geheilt wird, zugleich der Beweis für die Sanatio curativa".

In diesem Ausspruch wird in den Vordergrund gestellt, daß der Organismus des Krebskranken gegenüber dem Tumor völlig machtlos sei. Dies ist aber nun sicher nicht der Fall, und es besteht kein Zweifel darüber, daß der noch sehr bescheidene Erfolg, den wir in unserer bisherigen Therapie der Krebsgeschwulst gegenüber aufzuweisen haben, aus diesem Denkfehler heraus zu erklären ist.

Hiergegen melden sich bei der heutigen Ausbildung des Arztes ganz erhebliche Widerstände, die einmal darauf beruhen, daß die P athologie, die viele Jahrzehnte das ärztliche Denken allein beherrschte, zwar krankhafte Veränderungen im Tumor, nicht aber wesentliche Veränderungen im Wirtskörper feststellen konnte.

Seitdem wir eine biochemische Forschung haben, wankt dieses Dogma, und wir begreifen, daß die Tatsache, einen Tumor zu tragen, zu gleicher Zeit auch bedeuten muß, daß Funktionen nicht nur im Tumor, sondern auch im Organismus versagt haben müssen.

Wir nehmen hierbei also an, daß es eine Abwehr nicht nur gegenüber Bakterien, sondern auch gegenüber der Tumorzelle gibt. Eine Ansicht, die jeden, der sie vertrat, noch vor Jahren wissenschaftlich disqualifizierte; eine Ansicht aber, die sich doch trotz aller Widerstände immer mehr durchsetzt.

Der Widerstand gegen eine solche Auffassung, der sich aus dem naturwissenschaftlichen Denken ergibt, beruht darin, daß Begriffe wie Abwehr, Allgemeinbefinden - die doch a priori Gegebenheiten sind, soweit es unser Thema angeht - bisher wissenschaftlich nicht oder ungenügend erfaßbar scheinen. Trotzdem sind sie eine unbestreitbare Gegebenheit. In der Zwischenzeit sind wir auch längst über das Erahnen dieser Zusammenhänge hinaus und können uns auch auf Forschungsergebnisse berufen.

Domagk hat öfters geäußert, daß es nur, wenn die "Abwehr" zusammenbricht, zum unaufhörlichen Fortschreiten des Tumors kommt. Ein Zeugnis, das hier ganz besonders zu werten ist.

Aber selbst die Histologen können um den Begriff Abwehr in unserem Zusammenhang nicht herum. Ich erinnere an die Darstellung von Borst über die Umgebungsreaktion oder an Siegmund [14], der sagt: "Die Geschwulstzelle, die sich anschickt, formlos und autonom zu proliferieren, hat immer einen lebendigen Partner im ganzen Organismus des Kranken".

Es ist weiter bekannt, daß das Properdin ganz allgemein als Maßstab der Abwehr heute sich Anerkennung verschafft [17]. Halten wir fest, daß die Organe, die vom Karzinom erfahrungsgemäß nie erfaßt werden, hochproperdinhaltig sind, und erinnern wir uns daran, daß man schon fand, daß der zytolytische, Effekt des menschlichen Serums gegenüber den Aszites-Tumorzellen von der Höhe des Properdinspiegels abhängt. Eliminiert man Properdin, so sinkt der zytolytische Effekt des Normalserums gegenüber der Krebszelle.

Vergessen wir weiter nicht, daß vor fast 40 Jahren Freund u. Kaminer schon die Tatsache feststellten, daß das Serum des Gesunden Krebszellen auflöst, währen das des Krebskranken diese Fähigkeit verliert [4].

Es besteht weiter kein Zweifel darüber, daß wir alle Krebszellnester mit uns herumtragen und daß die Tatsache des auftretenden Krebsknotens eben bedeutet, daß unsere Abwehr zusammengebrochen ist.

Auch Domagk [3] sagt: „Ich glaube, daß im menschlichen Körper wahrscheinlich viel häufiger Krebszellen entstehen, als wir vermuten, daß der normale Organismus aber über sehr wirksame Abwehrfunktionen verfügt und diese Krebszellen am Weiterwachsen hindert. Nur wenn diese Abwehr zusammenbricht, kommt es zur Ausbildung eines unaufhörlich fortschreitenden Tumors."

Wir wissen ferner, daß eine ungenügende Übung im Aufrufen der Abwehrkräfte eher zu Krebsbefall führt, denn das bedeutet es, wenn wir in der Vorgeschichte eines Patienten erfahren, er habe nie Fieber gehabt oder mindestens in den letzten Jahren kein Fieber mehr zustande gebracht. Eine Angabe, die wir gerade beim Krebskranken häufig finden.

Ich will jetzt nicht von der Hyaluronsäure sprechen, aber auch hier wäre der Nachweis zu erbringen, daß sie ganz offensichtlich in das System der Abwehr gegen die Ausbreitung der Geschwulst mit eingeschaltet ist (Herberger).

Zuletzt möchte ich auf die freiwilligen Versuche in amerikanischen Zuchthäusern hinweisen (Herberger). Hier wurden implantierte Krebszellen vom gesunden Organismus vernichtet, und zwar um so schneller, je öfter dieser Versuch wiederholt wurde. Nur bei kranken Organismen breiteten sich die implantierten Zellnester aus.

Wir wissen auch, daß Verhaltensweisen, die die Abwehrmechanismen des Organismus überziehen, zu Krebsbefall führen. Turner haben weniger Krebs als Stubenhocker; Gastwirte mehr als Landwirte, und es ist gerade wieder Domagk, der darauf hingewiesen hat, daß vernünftige Lebensweise - das heißt Nichtüberziehen der Abwehrmechanismen - eine wichtige Forderung für die Nachbehandlung sei.

Das alles spricht doch dafür, daß es eine Abwehr auch gegenüber der Krebszelle gibt. Ist das aber der Fall, dann haben wir uns bei der Behandlung des Krebskranken nicht nur um seinen Tumor zu kümmern, sondern um den ganzen Patienten, und wir müssen dann unsere bisherige Therapie einer Revision unterziehen.

Zunächst einmal müssen wir bei der Auswahl unserer Behandlungsverfahren den Grundsatz einhalten, einem so schwer geschädigten Organismus nichts zuzumuten, was schon den Gesunden belasten würde.

Wir werden dabei mit unserer Kritik weder an der heutigen Röntgentherapie, noch an der Behandlung mit Zytostatika vorbeikommen und manche Bedenken anmelden müssen. Grote hat es zuletzt noch ausgesprochen, daß eine Therapie abzulehnen sei, wenn sie zwar den bestehenden Krankheitszustand beseitige, aber die künftige Gesundheit gefährde oder in Frage stelle. Es ist doch wohl kaum abwegig anzunehmen, daß in die Therapie des Krebskranken nichts hineingehört, von dem wir wissen, daß es krebserzeugend wirkt. Wollen wir diese Richtlinien anerkennen, was sollen wir dann über die heutige Röntgentherapie, die heutige Krankenhausverpflegung, die Gleichgültigkeit des Arztes denken, mit der er Sulfonamide, Antibiotika und Zytostatika als unschädlich bei der Behandlung seiner Krebspatienten erachtet?

Ich möchte nicht falsch verstanden werden und werde das später eingehender darstellen. Es wird durchaus anerkannt, daß ich, wenn ich zwischen zwei Übeln zu wählen habe, das kleinere wähle. Das berechtigt mich z. B. zu einer vernünftig dosierten Röntgenbehandlung. Aber es ist wichtig, daß wir nicht in der Auffassung leben, Röntgenbestahlung, Sulfonamide, Zytostatika seien nicht nur gleichgültig bei der Behandlung des Krebskranken, sondern sie seien die beste, die einzig mögliche Hilfe.

Ein paar Worte zum chirurgischen Eingriff. Die meisten Chirurgen sind heute streng in ihrer Indikation. Es muß auch daran erinnert werden, daß die Kunstfertigkeit des Chirurgen bei keinem Problem vor eine so hohe Bewährung gestellt wird wie bei manchen Geschwulst-operationen. In diesem Sinne sind Persönlichkeit des Chirurgen und sein Können in der Erfolgsstatistik mit verankert. Wir sind uns also darüber klar, daß wir im Kampf gegen den Tumor keinen verläßlicheren Bundesgenossen als den guten Chirurgen haben, denn mit jedem Gramm Tumormasse, das er entfernen kann, entlastet er den Organismus.

Es bleibt aber noch genug zu tun übrig, denn, sprechen wir es ruhig aus, auch wenn im Opera-
tionsbericht die Floskel auftritt: "Der Tumor wurde im Gesunden entfernt", so mag das visuell richtig sein, de facto aber bleibt, wenn wir den lebenden Organismus histologisch durch-schauen könnten, immer die Aufgabe, daß der Organismus mit den Restbeständen dieses krankhaften Geschehens allein fertig werden muß.

So wäre von unserem Standpunkt aus nur erwähnenswert, daß es im Bereich der Chirurgie nach dem Stand unseres heutigen Wissens nicht erlaubt ist, Probeexzisionen zu machen, denen nicht umgehend die Operation folgt. Es wäre erfreulich, wenn die von Fischer, Fehr, MacCarty, Hellwig und Winterstein geäußerte Ansicht, daß man noch bis zu sieben Tage nach der Probeexzion die Mamma-Amputation schadlos folgen lassen könne, sich bei breiter Nachprüfung halten ließe [13]. Sicher aber ist es als fahrlässig anzusehen, unzweifelhaft sich als bösartig erweisendeGeschwülste erst Wochen nach der Probeexzision zu operieren oder zu bestrahlen, soweit dies auf ärztliche Anweisung oder mit ärztlicher oder ohne ärztliche Warnung erfolgt.

Es besteht darüber hinaus sehr oft die Möglichkeit, ein Übersichtsbild im Gefrierschnitt zu machen und nach dieser Aufklärung mit einer notwendigen Operation sofort zu beginnen.

Wenden wir uns nun der Frage der Röntgenbestrahlung zu.

Immer wieder muß darauf hingewiesen werden, daß die Kenntnis des Begriffes „relative Herdraumdosis" [18] auch gerade da, wo sie unbedingt zu fordern wäre, nicht vorhanden ist. Beiden üblichen Bestrahlungsverfahren nämlich landen, von der Chaoulschen Nahbestrahlung abgesehen, etwa 0,5 % bis 5 % im Tumor, und mit 95 % der r-Raumliter muß der Körper fertig werden. Ich bin überzeugt davon, daß man später nicht begreifen wird, daß man dem Körper bedenkenlos die heutigen, hochdosierten Bestrahlungen zumutete, auch wenn man damit in manchen Fällen den Anfangserfolg erreichte.

Weiter ist es eine noch ungeklärte Frage, ob es nicht sehr ähnliche Mechanismen sind - ich denke hier vor allem an Fermentreaktionen - die gleichermaßen den Körper zur Abwehr von Infekten befähigen und ihn auch in die Lage versetzen, die Krebszelle in ihrer Ausbreitung abzuriegeln. Auf jeden Fall sprechen die Forschungsergebnisse über das Properdin doch sehr für einen solchen Gedanken.


Wenn das aber so ist, dann setzen wir durch die Röntgenbestrahlung, selbst wenn wir den primären Tumor vernichten, das Abwehrvermögen gegen weitere Ausbreitung von Tumor-zellen herab und müssen dies auf jeden Fall in Rechnung stellen.

Ich erwähnte schon, daß es eine praktische und eine theoretische Vernunft gäbe, und ich halte es für unberechtigt, selbst bei der Kenntnis dieser Tatsachen fanatisch die Röntgenbestrahlung in Bausch. und Bogen abzulehnen. Auch hier: die Dosis macht's!

Auf Grund meiner eigenen Erfahrungen. kann ich sagen, daß man bei Einschaltung aller biologischen Möglichkeiten in die Heilbehandlung ganz offensichtlich zu keinen schlechteren Ergebnissen kommt, wenn man die Dosis auf die Hälfte des heute Üblichen herabsetzt; wenn man weiter viel weitgehender von der Kontaktbestrahlung und in geeigneten Fällen von aufgelegter Kobaltmasse sowie von der sogenannten Halbtiefentherapie Gebrauch macht.

Was aber bestimmt zu ändern ist, ist das Schema, in dem heute Dosis und Intervall behandelt werden.

Die Warnzeichen vor einer Überbestrahlung werden heute im wesentlichen vom Blutbild abgeleitet. Bevor uns aber kein sichereres und besseres Warnzeichen als das Zusammen-brechen des Blutbildes zur Verfügung steht, sollten wir doch das Allgemeinbefinden etwas mehr beachten, als dies heute geschieht. Das ist einer der Begriffe, der den reinen Wissenschaftler als „noch nicht bewiesen“ wenig interessiert. Aber er ist eine Realität. Zusammenbruch des Allgemeinbefindens heißt eben hier zugleich: Zusammenbruch der Abwehrkräfte. Wenn schon nach den ersten Bestrahlungen dieses Symptom auftritt, dann gibt es nur die Möglichkeit, die Dosis herabzusetzen, das Intervall zu vergrößern, die Allgemein-behandlung auf das Sinnvollste zu steuern, und wenn das alles nicht hilft, dann muß man sich klar und eindeutig bewußt machen, daß hier Reiz und Reizbeantwortung in einem Mißver-hältnis stehen und somit für die Strahlenbehandlung keine Aussichten mehr vorhanden sind.

Die schematische vorbeugende Bestrahlung lehne ich ab, wenn mir die Möglichkeit gegeben wird, die ganzen Verfahren der zusätzlichen Therapie anzuwenden und der Patient bereit ist, in seiner Lebensführung die notwendigen Voraussetzungen zur Erhaltung seiner Abwehr-reaktion sicherzustellen.

Wir müssen also etwas mehr tun, als nach schematisch festgesetzten Einzeldosen und Inter-vallen zu bestrahlen und uns von dem Glauben trennen, daß, je höher die Dosis gewählt wurde, um so größer die Sicherheit sei.

Ich darf hier auch ausdrücklich betonen, daß die Pendelbestrahlung keineswegs die relative Herdraumdosis - d. h. das Verhältnis der r-Raumliter, die im Körper und im Tumor des Kranken landen verändert. Es wird dabei nur die Haut geschont. Dieses Verfahren ermöglicht es allerdings dem Röntgenologen, mit immer höheren Dosen zu arbeiten, aber das ist ein Weg, den man als verhängnisvoll betrachten muß.

Eine leider wenig beachtete Möglichkeit bietet uns aber gerade die Röntgenologie. Die Zelle antwortet auf unvorstellbar kleine Röntgendosen. Pape in Wien hat bei dunkeladaptierten Patienten nachwei sen können, daß die auf die Netzhaut auftreffenden Röntgenstrahlen in einer Dosis von 1/1000 r von der Netzhaut noch wahrgenommen werden [9].

Teschendorf [15] hat weiter mit heute als ketzerisch gering geltenden Bestrahlungsdosen beim Lymphogranulom eine mehrfache Verlängerung der Lebenszeit erreicht, die ich bestätigen kann. Ja, wo es darum geht, das Mesenchym durch Übung anzuregen, da können wir durch die Röntgen-Viertelfeldbestrahlungen mit geringsten Dosen kaum eine sinnvollere Methode finden, um diese Aufgabe zu erfüllen. Vielleicht liegen diese Dosen sogar noch unter 5 r, gerechnet für die Hautoberfläche.

Wie sehr eine vernünftige Ernährung und eine Ferment-Vitamin-Substitution während der Bestrahlungszeit die Röntgenschäden auffangen, soll hier nur erwähnt sein.

Geschädigt wird bei jeder Bestrahlung immer auch die Leber. Bei voller Anerkennung der heute vielseitigen Möglichkeiten, die Leberfunktion nachzuprüfen, möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß das 17-Uhr-Urobilinogen bei Verfolg von Strahlenschäden eine gute Leitlinie gibt. Als Strahlenschutz Cholin einzusetzen, ist heute üblich. Aber diese Maßnahme ersetzt nur teilweise die weitaus vielseitigere Möglichkeit des Schutzes, Cholin durch eine optimale Diät zuzuführen.

Zuletzt noch ein Hinweis: Nach den letzten Forschungen von Warburg [16] ist es sehr wahrscheinlich geworden, daß mindestens ein Wirkungsfaktor der Bestrahlung darin zu suchen ist, daß Wasserstoffsuperoxyd im Gewebe erzeugt wird.

Warburg kommt in seinem Vortrag zu folgendem Ergebnis: Alle Körperzellen enthalten Katalase, die Wasserstoffsuperoxyd in Sauerstoff und Wasser spaltet. Die Krebszelle enthält praktisch keine Katalase. Da Wasserstoffsuperoxyd innerhalb des Zellbestandes außer-ordentlich schädigend wirkt, so hat die Krebszelle keine Möglichkeit, diesen schädigenden Stoff durch Katalase zu vernichten, während das normale Gewebe diese Möglichkeit hat. Gelingt es also, innerhalb des Bezirkes krebskranker Zellen Wasserstoffsuperoxyd zu erzeugen, dann werden diese Krebszellen vernichtet.

Da aber die Röntgenbestrahlung in jedem wäßrigen Medium Wasserstoffsuperoxyd erzeugt, so sieht Warburg als die wirkliche Ursache der therapeutischen Erfolge der Röntgen-bestrahlung die Erzeugung von Wasserstoffsuperoxyd durch die Röntgenstrahlen in dem Bezirk des Krebszellenverbandes an. Er schlägt vor, während der Bestrahlung die Gefäße mit einer Flüssigkeit zu durchströmen, die keine roten Blutkörperchen (Katalaseträger) enthält, aber trotzdem mit überschüssigem Sauerstoff angereichert ist.

Ich erwähne diese Ausführungen nicht, weil ich mir von der Schlußfolgerung Warburgs bezüglich eines therapeutischen Eingriffs unter abgeänderter Durchblutung das Wesent-
liche verspreche, sondern deswegen, weil diese Ausführungen von Warburg uns mindestens eine Erklärung dafür geben, daß die bisherige Auffassung über die Schädigung durch Rönt-
genstrahlen, bezogen auf die Krebszelle, eine völlig unerwartete Perspektive bekommen hat.

Mein Lehrer Grashey hat mich vor über 30 Jahren darauf aufmerksam gemacht, daß die These je höher die Dosis, um so sicherer der Erfolg beim Bestrahlen in ihm derzeit schon Zweifel erweckte. Er führte aus, daß eine notwendige Arbeit darin bestünde, einmal nachzurechnen, mit welchen Dosen die allerersten Strahlentherapeuten gearbeitet hätten, denn der Skeptiker Grashey zweifelte, ob diese nach unseren heutigen Auffassungen sicher unterschwelligen Dosen so viel schlechter gewirkt hätten als die heutigen. Diese Ansicht Grasheys mußte seinerzeit außerordentlich ketzerisch wirken.

Nach den Ausführungen Warburgs aber ist es heute mindestens zur Pflicht geworden, einmal die Frage zu diskutieren, ob zur Entstehung von H2 O2 im Bezirk des Krebsknotens wirklich die unendlich hohen Röntgendosen notwendig sind, die wir heute als unumgänglich betrachten.

Gleichzeitig erfährt die HOT-Behändlung von Wehrli, die Behandlung mit Methylenblau-lösungen, die Einführung von aktivem Sauerstoff in den Körper hier eine Begründung, die uns berechtigt, derartige Wäge im Sinne einer zusätzlichen Therapie bei Geschwulsterkrankungen zu verfolgen.

Nach diesen Feststellungen Warburgs wäre die maximale Anreicherung des Wirtskörpers des Tumors mit Katalase bei niedrigeren Dosen als bisher eine durchaus begründete Arbeits-hypothese.

Ich vermeide es, Stellung zu der Betatron- und Kobaltbombenbestrahlung zu nehmen, da ich hier keine eigenen Beobachtungen habe machen können. Ich fürchte aber, daß eine Auswertung auch dieser Verfahren keinen wesentlichen Fortschritt aufweisen wird.

Zusammenfassend möchte ich über die Röntgenbestrahlung sagen: Ich glaube, daß es verkehrt wäre, nach dem Stand unserer heutigen Möglichkeiten die Röntgenbestrahlung grundsätzlich abzulehnen. Aber Indikationen und Dosishöhe - so, wie sie heute geübt werden - sind oft unhaltbar, vor allem dann, wenn man die Möglichkeit biologischer Verfahren nicht ausnutzt, um die bei der Bestrahlung entstehenden Schäden so weit wie möglich auszuschalten.

Ich komme jetzt zur Besprechung der Zytostatika und der radioaktiven Isotope, die man Krebskranken verabreicht.

Auf Grund meiner Erfahrungen sehe ich keinerlei Veranlassung, sie anzuwenden, denn ich habe im Vergleich mit den bei mir geübten Verfahren niemals gesehen, daß sie sich als hilfreich erwiesen hätten, d. h. daß ich mit ihnen etwas hätte erreichen können, was über das Maß hinausgeht, das mit den hier beschriebenen Möglichkeiten erreicht werden konnte.

Auch bei Anwendung der Zytostatika und der radioaktiven Isotope müssen wir uns darüber klar werden, daß der ersehnte Angriff auf die Tumorzelle zugleich auch ein Angriff auf jede andere lebende Zelle im Organismus ist und daß hier sogar die hochwertigsten Zellen am eindeutigsten geschädigt werden. Auch das für die weitere Lebenserhaltung notwendige Mauserungsgewebe wird aufs schwerste getroffen.

Darüber hinaus ist zu beachten: jede Chemotherapie ist, auch im Erfolgsfall, immer eine gleichzeitige Belastung des Organismus. Ihre Anwendung beim Kranken, dessen Abwehrvermögen sich nach Operation, Metastasenbefall und vielfacher Bestrahlung schon dem Nullpunkt genähert hat, dürfte in späteren Zeiten als kaum erklärbares Kurzschlußdenken gewertet werden.

Wir danken es Ferdinand Hoff, daß er darauf hingewiesen hat, der Arzt solle keine Verfahren anwenden, die schlimmer sind als die Krankheit selber. Gewiß sind wir gerade beim Karzinom weit davon entfernt, jede Lage zu beherrschen. Aber das Arbeiten mit Mitteln, die eine so ungeheure Belastung des Organismus darstellen, ist abzulehnen, wenn uns noch andere Mittel zur Verfügung stehen, die alles das, was man den Zytostatika nachsagt, einwandfrei besser erreichen.

Diese Warnung vor den Zytostatika ist leider auch auf alle Sulfonamide und Antibiotika zu erweitern. Wie oft habe ich nach ihrer Anwendung bei einem krebskranken Organismus, der über Jahre symptomfrei geblieben war, die Katastrophe eintreten sehen. Ohne jede Indikation wurde eine lächerliche Infektion mit diesen Körpern behandelt.

Auch bei Operationen [5, 7] sollten Antibiotika beim Krebskranken vermieden, dafür aber ein sinnvoller Sanierungsschutz getroffen werden.

Zur Erklärung kurz folgendes: Die Probleme der Allergie spielen beim Verlauf des Karzi-noms eine Rolle., Körper, wie die Penicilline, die zu allergischen Reaktionen Veranlassung geben, müssen in einem krebskranken Organismus schädliche Wirkungen zeigen.

Von den Sulfonamiden wiederum wissen wir, daß sie dort Schwierigkeiten bereiten, wo die Funktionen der Leber auch nur einigermaßen deutlich herabgesetzt sind. Ich habe aber noch keinen Krebspatienten gesehen - auch die sogenannten noch "blühend“ Aussehenden nicht -, bei denen nicht die Elektrophorese, die Eiweißlabilitätsproben usw. deutliche Hinweise auf ein Leberversagen zeigten.

Wenn wir nach diesen Einschränkungen nun nach Richtlinien für die Auswahl der Behandlungsmittel beim Karzinomkranken suchen, so müssen sie doch wohl folgende Bedingungen erfüllen:

1 . Sie sollen einem so schwer gefährdeten Körper keine neuen Schädigungen zufügen.

2. je ernster der Zustand des Krebskranken und je empfindlicher der Patient, um so sorg-fältiger muß die Indikation für die ausgewählten Verfahren sein und um so niedriger muß die Dosierung der Heilmittel liegen.

3. Eine biologisch ausgerichtete Behandlung des Krebskranken hat nicht erst einzusetzen, wenn sich das erste Rezidiv meldet, sondern sie muß mit der Diagnosestellung einsetzen.

Der Ausbau der Krebstherapie beim noch Operablen im Augenblick der Diagnosestellung muß aber eine Angelegenheit der anzen Ärzteschäft werden und darf nicht in die Hände der Spezialisten kommen, denn es geht um mehr als nur um eine technisch vollendete Operation oder Bestrahlung. 

Bevor ich die Therapie in ihren Grundzügen darstelle, die ich im Laufe von 25 Jahren immer mehr ausgebaut habe, möchte ich eines sagen:

Auch die Behandlung der inoperablen Fälle folgt natürlich den gleicben Grundsätzen, wie sie hier für den noch Operablen gestellt werden. Wenn es auch beim Inoperablen nicht zu einer völligen Symptomfreiheit kommt, so kann man folgendes Ergebnis auch für den Inoperablen feststellen:

1.) Die Lebenszeit verlängert sich für die einzelnen Geschwulstformen nach der Weltstatistik um mindestens das Doppelte, wenn nicht um das Drei- oder Mehrfache, und zwar in einer für den Kranken lebenswürdigen Verfassung.

2.) Man kommt ohne Morphinderivate aus; die Schmerzbekämpfung ist in den allermeisten Fällen sehr bald zu erreichen, so daß man mit Mitteln wie Treupel, Dolantin, Jetrium bis zum Ende durchkommt.

Aber nun zurück zur Behandlung der noch Operablen. Zunächst ein paar Worte über das Vorgehen bei der Diagnosestellung. In meinem letzten Vortrag vor diesem Kongreß [19] habe ich über den Wert meiner sogenannten Summationsdiagnose eingehend berichtet und ich möchte noch einmal davor warnen, leichtfertig auf Grund einer einzigen Untersuchungs-methode die Diagnose "Krebs oder präkanzeröses Stadium“ zu stellen. Die Summations-diagnose gibt uns jedoch die Möglichkeit, mindestens für den Augenblick der Untersuchung die Tatsache festzustellen, daß kein Krebs vorliegt. Sie gibt uns weiter die Möglichkeit, Wirksamkeit oder Unwirksamkeit unserer Therapie zu verfolgen.

Zunächst sind bei der Anlage der Therapie Kreislauf und Herz zu berücksichtigen. Welche Therapie wir auch treiben, sie muß über die Wege des Gefäßsystems laufen. Ich scheue mich fast, solche Banalitäten auszusprechen, aber die Praxis lehrt, daß dies nicht unnötig ist. Noch viel wichtiger ist der Hinweis auf die genaue Beobachtung der Leberfunktionen. Nach einer Operation, bei der es nicht klar ist, ob im Gesunden operiert wurde, ist es gut, so zu behan-deln, als ob man einen Leberparenchymschaden zu behandeln habe, gegebenenfalls also mit Infusionen.

Bei der Frage, ob neben der Operation das Röntgen heranzuziehen ist, entscheidet die Frage, ob der Patient die Möglichkeiten und den Willen hat, seine Lebensführung umzustellen und Diät einzuhalten.

Ich weiß, daß ein Patient, der hier nach richtigen Anweisungen sucht, in den meisten Fällen verlassen ist oder in ein Kreuzfeuer gegensinnigster Anweisungen gerät. Wenn er etwa auf den Gedanken kommen sollte, die Kost im Krankenhaus als richtungsweisend für sich anzusehen, so ist er schlecht beraten. Aber gegen diese widerspruchsvollen ärztlichen Anweisungen revolutionieren die Patienten heute schon derart, daß sie gebieterisch nach einer klaren Antwort verlangen, und es fällt mir schwer zu sagen, daß gerade die verantwortlichen Stellen hier nicht nur nichts in der Ausbildung der Ärzte tun, sondern sich gegen eine nun einmal nicht mehr aus der Welt zu schaffende Tatsache stemmen; dazu gehört auch die Gebetsformel: die Diät sei bei der Therapie des Karzinoms völlig unwirksam.

Es wäre noch hinzuzufügen, daß jeder Einsatz eines hier gewählten Heilmittels der dauernden Kontrolle durch die Summationsdiagnose bedarf.

Wenn man das Thema der Ganzheitsbehandlung von Geschwulstkranken erwähnt, so hört man zu häufig, daß wohl damit die sogenannten „Krebsheilmittel« gemeint seien. Um es klar auszusprechen, diese sogenannten Krebsheilmittel gibt es gar nicht, trotz der Hinweise in den Illustrierten.

Es gibt allerdings eine Anzahl von Mittel, die bei der Behandlung des Geschwulstkranken positiv und unterstützend wirken. Ich will ganz kurz diejenigen, die ich selber erprobt habe, nennen, um dann von den zuverlässigsten einiges zu sagen oder vielleicht auch vor einigen zu warnen.

Da wäre im Sinne einer zweifellosen Abwehrsteigerung der Mistelextrakt zu nennen, im Handel als Plenosol oder Iscador bekannt. Dann die organtherapeutischen Mittel AF2 und Mesacton, weiterhin das Elpimed. Die Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit ermöglicht es leider nicht, auf das so außerordentlich interessante Mittel der Therapie mit körpereigenen Substanzen, wie es vor allem von Herberger [6] in seinem Buch (S. 254) eingehend dargestellt ist, einzugehen.

Mit dem aus Wundsekret gewonnenen Mittel habe ich Negatives erlebt. Sein Preis steht im umgekehrten Verhältnis zu den positiven Wirkungen, die man ihm nachsagt.

Das Elpimed, an dessen theoretischer Begründung besonders Pischinger gearbeitet hat, ist ohne Zweifel als immer wieder zwischengeschobenes Mittel dann ausgezeichnet, wenn die Therapie durch eine Schockphase blockiert ist. AF 2 und Mesacton sind auch theoretisch gut erklärlich, indem die Grundlage dieser Therapie Gewebsextrakte bilden, die nachweislich keinen Krebsbefall enthalten.

Im gleichen Sinne läßt sich die Niehanssche Therapie erklären, wobei allerdings ein bemerkenswerter Gesichtspunkt sich noch in den Anweisungen von Niehans findet, nämlich das Bemühen, eine Überfunktion der Hypophyse nicht durch ihre Blockierung, sondern durch Normalisierung der peripheren Drüsen abzudämpfen, was hier mit Organextrakten und nicht mit reinen Hormonen geschieht. Die Nachteile einer gegengeschlechtlichen Hormontberapie werden so vermieden. Ich erwähne, daß ich mit der Frischzellentherapie keine eigenen Erfahrungen habe, glaubte aber, diesen Hinweis der Beachtung empfehlen zu sollen.

Das Gaschlersche Mittel Carzodelan ist, wie all die anderen Mittel, keineswegs ein Krebsheilmittel, erweist sich aber doch bei allen Geschwulstformen als günstige zusätzliche Behandlungsmethode, vor allem bei den Leukämien.

Alle diese Mittel setze ich im Wechsel ein, da die Befunde der Summationsdiagnose eindeutig dafür sprechen, daß bei langer Anwendung nur eines dieser Mittel Gegensteuerungen auftreten.

Alswertvollstes Mittel in dieser Reihe empfiehlt sich ohne Zweifel das Plenosol. Über Iscador habe ich keine Erfahrungen; es scheint aber auf einer ähnlichen Stufe wie das Plenosol zu stehen. Röseler [11] hat über das Plenosol in diesem Kreise schon sehr eingehend gesprochen. Ich muß voll bestätigen, daß das Plenosol sicher das einfachste und wirkungsvollste Mittel ist, das nach den Anweisungen von Röseler schon vor der Operation, mindestens aber sofort nach der Operation, und als bester Rezidivschutz fortlaufend regelmäßig zweimal jährlich, wie das Röseler [12] genau beschrieben hat, zu geben ist. Es wird intravenös gegeben, was manchmal Schwierigkeiten bereitet.

Für diese Fälle möchte ich auf die Bienengiftpräparate hinweisen, über die ich außeror-dentlich interessante Versuche laufen habe.

Auf diese Gruppe pharmakologischer Körper bin ich durch Bauer [11] hingewiesen worden, der in seinem Buche (S. 651) feststellt, daß durchschnittlich 17,7% heute an Krebs erkranken,
davon nur 2,1% bei der ländlichen Bevölkerung und nur 0,27% bei den Imkern.

Ich glaube nicht, daß wir an dieser Tatsache therapeutisch vorbeigehen dürfen.

Die ersten Versuche zeigten eine außerordentlich schwer zu überwindende Anergie bei sämtlichen Krebskranken, so daß dieses Vorgehen sogar diagnostische Wertigkeit hat. Es gelingt nur schwer eine gut ausgeprägte, sekundäre Reaktion an der Haut zu erreichen.

Rezidive auch bei recht fragwürdigen Anfangsbefunden habe ich bisher bei monatlich einmaliger Quaddelerzeugung noch nicht erlebt. Die Beobachtungszeiten sind noch un- genügend, ebenso die Zahl der Fälle. Aber die aus der Bauerschen Statistik gewonnenen Hinweise veranlassen mich, diesen Weg weiter zu verfolgen, weil es sinnvoll und außer-
ordentlich bequem ist und außerdem die intravenöse Behandlung umgeht.

Über die Diät kann ich in der gesetzten Zeitspanne nicht mehr sprechen. Ich verweise auf meine Ausführungen über "Ernährung und Krebs" in Band V der Schriftenreihe des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren [19]. Es liegt mir aber am Herzen, noch einmal zu betonen, daß die Sicherung durch eine Diät-Therapie selbstverständlich nur so lange währt, als die Diät auch wirklich durchgeführt wird.

Ich bin mir hier vollkommen darüber im klaren, daß gerade diese Tatsache die schwierigste Frage der gesamten zusätzlichen Therapie bedeutet; deswegen, weil wir auf einen allgemein verbreiteten Mangel bei unseren Patienten stoßen - nämlich die fehlende Geneigtheit, verantwortlich für die eigene Gesundung etwas zu tun. Diese mangelnde Geneigtheit, Verant- wortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, würde aber auch bei überdosierter Bestrahlung und bei Anwendung von Zytostatika die Gesamtsituation verschlechtern, worauf Domagk immer wieder hinweist.

Über die Diät noch einen Hinweis. Der Grundsatz, die Kohlenhydratmenge, vor allem als Zucker, möglichst niedrig zu halten, ist selbstverständlich richtig, aber er wird weitaus übertroffen von dem Grundsatz, vollwertige Kohlenhydrate zu geben.

Bei Appetitlosigkeit soll die Eiweißmenge und die Menge von hochungesättigten Fettsäuren, soweit es nur geht, nicht vermindert werden. Hier ist die Verminderung auch der vollwertigen Kohlenhydrate besonders sinnvoll.

Auf das Laevoral, das zwischen medikamentöser Therapie und Diät-Therapie steht, möchte ich noch einmal aufmerksam machen, besonders auf seine Wirksamkeit bei Lebermetastasen und als Leber-Schutz.

Außerordentlich bewährt sich das, was ich Basis-Therapie beim Karzinom nenne. Von ihr gilt das gleiche, was von der Diät gesagt wurde. Der Schutz dieser Therapie setzt in dem Augenblick aus, in dem diese Mittel nicht mehr genommen werden. 

Zu dieser Basistherapie gehören: 

  1. Vitaminanreicherung

  2. Dauergabe von Cholin 

  3. Dauergabe von Magnesium 

  4. Vitamin C + A vermehrt 

  5. Kalk in Form von Osspulvit 

  6. wechselnde Gaben von Lebermitteln

  7. Salzsäure-Substitution 

  8. Gaben von Schilddrüse.

Dabei ist auf das Gerikreon hinzuweisen, was in seiner Medikation einen Teil dieser Forderungen erfüllt (siehe a, d und g der Übersicht). Als interessantes, nebennieren-rindenwirksames Mittel möchte ich in diesem Zusammenhang auch das Phytocorton [10] nennen.

Wenn ich vorhin von der Rolle der Gefäße für jeden Heilprozeß sprach, so soll hier noch einmal daran erinnert werden, daß eine gleichzeitig bestehende Arteriosklerose den Einsatz entsprechender Heilmittel neben der Diät dringend erfordert.

Neben dieser medikamentösen Basis-Therapie, die als Dauermedikation zu verstehen und anzuwenden ist, haben sich zwei Verfahren offensichtlich ausgezeichnet bewährt.

Das eine ist die schon von Roffo im Jahre 1927 propagierte Gabe von Methylenblau, von der wir uns vorstellen, daß sie die Sauerstoffübertragung erleichtert und das außerordentlich wirksame Wasserstoffsuperoxyd entstehen läßt, das Warburg als wirksamsten Faktor bei der Bestrahlung heute ansieht.

Nach dem Stand unseres heutigen Wissens ergänzen wir über Roffo hinaus die Gabe des Methylenblau, indem wir gleichzeitig Cholin, Laevotal und Vitamin C vermehrt geben und Ozon-Sauerstoff-Gemische injizieren. Das von Dr. Hänsler konstruierte Ozonosan-Gerät, das ich jetzt im Gebrauch habe, erfüllt jede Forderung nach genauer Dosierbarkeit und befreit uns von dem sehr lästigen Geruch der alten Geräte.

Ich komme jetzt zu der Beurteilung der Hormon-Therapie. Auch hier verhindert es leider die zur Verfügung stehende Zeit, auf dieses Thema im einzelnen einzugehen. Ich kann daher nur auf die großen Monographien von Bauer [l] und jetzt auch von Herberger [6] hinweisen und muß mich damit begnügen, nur wenige Hauptsichtlinien in die Erinnerung zurückzurufen.

Die Hormon-Therapie ist ohne Zweifel wirkungsvoll und dürfte nach dem Stand unseres heutigen Wissens in jedem Fall beim Prostata-Krebs, operabel oder nicht operabel, trotz der entstehenden Nachteile angewandt werden.

Von den gegengeschlechtlichen Hormonen und deren Verwendung bei den weiblichen Genital-Geschwülsten wäre zu sagen, daß sie ohne Zweifel bei Metastasen wirkungsvoll sind, und zwar wirkungsvoller, wenn ein Uterus-Ca oder ein Mamma-Ca vorliegt; weniger wirkungsvoll dagegen beim Ovarial-Ca.

Eine Veranlassung, grundsätzlich gegengeschlechtliche Hormone bei allen Genital-Karzinomen der Frau anzuwenden, habe ich nicht gesehen, soweit nicht Metastasen aufgetreten sind. Wenn eine biologische Therapie wirklich durchgeführt werden kann, dann ist es wahrscheinlich, daß man auf das primäre Einsetzen der gegengeschlechtlichen Hormone bei der Frau verzichten kann; keinesfalls aber, wenn einmal Metastasen aufgetreten sind.

Auf die Frage, die in der Literatur schon angeschnitten wurde, ob nämlich auch bei den Indikationen, die heute mit gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt werden, nicht sinnvoller zweigeschlechtliche Hormone gegeben werden sollten, kann ich nicht eingehen, weil mir die eigene Erfahrung fehlt. Man sollte aber auf jeden Fall die Ergebnisse dieses Weges nicht aus dem Auge verlieren.

Das gleiche gilt für das außerordentlich interessante Thema, der Hypophysenblockade, denn hier sind bekanntlicherweise ganz verschiedene Wege gangbar. Dabei verweise ich nochmals auf die Ansicht von Niehans, nicht durch Zerstörung der Hypophyse oder durch hormonale Abbremsung dieser Drüse das Ziel zu erreichen, sondern durch Aktivierung der peripheren Gegendrüsen.

Die weiteren Forschungsergebnisse hier genau zu beobachten, scheint mir unbedingt not-wendig, denn vom biologischen Denken aus müssen selbst bei Anfangswirkungen Maß-nahmen wie die Kastrierung der Frau und die verschiedenen Methoden der Zerstörung der Hypophyse im höchsten Grade bedenklich erscheinen.

Von entscheidender Wichtigkeit ist der Einsatz des Schlenzbades [20] als die Möglichkeit, ein gesteuertes Fieber zu erzeugen. Dabei kommt es sehr auf die technischen Voraussetzungen des Bades an [8]. Hier möchte ich aber nur folgendes erwähnen:

Es ist ganz sinnlos und für den Krankein viel zu belastend, diese Bäder zu lange auszudehnen. Die klare Anweisung lautet heute so: Es ist eine Körpertemperatur von 38,5˚ bis höchstens 39,5˚ zu erreichen. Sowie diese erreicht ist, wird die Wassertemperatur um ein Grad gesenkt. Wenn es trotz der Senkung der Wassertemperatur weiter zum Ansteigen der Körper-temperatur kommt, wird die Wassertemperatur nochmals um 1 bis 2 Grad gesenkt, so daß die Körpertemperatur keinesfalls über die Höchstgrenze von 39,5˚ hinausgeht. Die Gesamtdauer des Bades darf unter keinen Umständen eine Stunde überschreiten, und das Bad soll zweimal, höchstens aber dreimal wöchentlich gegeben werden. Die Serie der Bäder darf 6 bis 8 Stück nicht überschreiten; dann sind Pausen einzulegen. Eine genaue Kurvenführung, über die ich in meinem Buch »Erzeugung eines gesteuerten Fiebers« [20] geschrieben habe, ist einzuhalten.

Die Schlenzbäder haben einen noch reaktionsfähigen Körper zur Voraussetzung, sind aber dann eines der wichtigsten Mittel einer zusätzlichen Therapie der Geschwulsterkrankungen. Allein die Tatsache, daß immer wieder nach fieberhaften Erkrankungen von Fällen der „Selbstheilung" berichtet wird und auch die Tatsache, daß beim Eiweißzerfall das Entstehen des Fiebers im Allgemeinbefinden immer wieder eine Besserung herbeiführt, sollte uns auf diese Methode hinweisen.

Vor dem Schlenzbad werden alle Mittel der Basis-Therapie und die Anreicherung mit Methylenblau, Vitamin C, Laevoral usw. in Tagesmenge auf einmal gegeben, so daß der Organismus alle notwendigen Steuerungsstoffe bei der vermehrten Belastung zur Verfügung hat.

Jetzt wende ich mich dem Thema „Herstellung normaler Funktionen“ zu.

Da ist zunächst die Fokalfrage zu beachten. Ich kann mich nicht dazu entschließen, grund-sätzlich die Tonsillektomie und die totale Zahnsanierung bei jedem auch schwersten Ca-Fall vorzuschlagen. Wenn ich aber überhaupt noch Vertrauen zur Reaktionsfähigkeit des Organismus habe, ist dies eine unabdingbare Forderung. Unter keinen Umständen darf aber der Sanierungsschutz mit Antibiotika gegeben werden.

Wir haben eine besondere Form des Sanierungsschutzes mit Esberitox, Vitamin C und K, Symbioflor 1, Vitamin-B-Komplex und salzfreier, entzündungswidriger Kost ausgearbeitet, die uns in ihrer Wirkung noch nie im Stich gelassen hat.

Wenn Fokus und Karzinom zusammentreffen, so ist doch wohl begreiflich, daß wir hier mit der Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Reaktion rechnen müssen, also Penicillin-abkömmlinge zu vermeiden haben. Da weiter die Leber als belastet anzusehen ist, schließen sich Sulfonamide von selbst aus.

Wenn man sieht, was alles an chirurgischen Eingriffen und Bestrahlungsmaßnahmen am Patienten ablaufen, ohne daß die entsetzlichen Trümmergebisse und die dick beherdeten Mandeln beachtet werden, so gewinnt man den Eindruck, daß dieser Hinweis nicht umsonst wäre.

Eine ebenso wichtige Frage ist die der Darmsanierung.

Im „Arbeitskreis für mikrobiologische Therapie" [21] ist durch Prof. Mommsen sowie durch Kolb und Rusch so viel über dieses Thema gesprochen worden, daß ich im Zusammenhang mit der Karzinombehandlung nur auf zwei Tatsachen hinweisen möchte.

Wenn die finanzielle Frage eine Rolle spielt, würde ich in der Praxis heute der Zufuhr von Milchzucker zur pH-Sanierung des Dünndarms die erste Wertigkeit unter den vielseitigen, von Mommsen, Rusch und Kolb beschriebenen Möglichkeiten geben.

Wesentlich besser sind natürlich Acidophilus, die Baumgärtel-Tabletten, und der gleichzeitige Einsatz von Coli-Vakzinen, Symbioflor I und II, vor allem aber auch die Dauergabe von Bioghurt.

Auf jeden Fall aber gibt es keine Therapie der Geschwulstkrankheiten, die an der Dauerbetreuung der Darmflora vorbeigehen kann. Überhaupt ist die Beseitigung der Obstipation eine Grundforderung.

Daß der Dickdarm, besonders beim Karzinom, eine entscheidende Rolle spielt, ist bereits von Sir A. Lane, dem früheren Leibarzt Eduard VII, in einem leidenschaftlichen und bisher immer noch unbeachteten Kampf aufgewiesen worden. Lane wies nach, daß er bei aussichtslosen Krebskranken eine über Jahre hinausgehende Verbesserung des gesamten Zustandes erreicht hat, wenn er den Dickdarm resezierte. Das widersprach und widerspricht unseren ganzen Auffassungen von der Physiologie des Dickdarms, berechtigt uns aber nicht, die einwand-freien Ergebnisse in den Veröffentlichungen von Lane deswegen abzulehnen.

Auler hat in völlig aussichtslosen Fällen das Verfahren Lanes nachgeprüft und mußte es bestätigen, was wiederum zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Auler und Sauerbruch führte, wobei Auler auf Tatsachen hinzuweisen vermochte, während Sauerbruch sie mit sehr begründeten Widersprüchen zu unseren bisherigen Auffassungen glaubte ablehnen zu dürfen.

Das Thema ist so wichtig, daß ich den Hinweis hier nicht unterdrücken will; eine Nachprüfung wäre auf jeden Fall notwendig. Ich selber verfüge nur über die Beobachtung einer Teilresektion des Ascendens, wobei nach der Operation in einem völlig aussichtslosen Fall eine gut ein Dreivierteljahr dauernde Periode günstigen Befindens eintrat.

Es wäre über die besonderen therapeutischen Richtlinien, die bei den einzelnen Geschwulstarten zu beachten sind, unter dem Gesichtspunkt biologischen Vorgehens noch vieles zu sagen, aber auch hier veranlaßt mich der Zeitmangel, den Interessierten auf die Ausführungen von Herberger [6] hinzuweisen.

Wichtiger erscheint es mir, über die ärztliche Betreuung des Krebskranken noch einiges zu sagen.

Während Tuberkulöse monatelang von der Sozialversicherung betreut werden, ist das für Krebskranke heute noch völlig ausgeschlossen. Eine sinnvolle Erklärung dafür gibt es nicht! Was heute in den Nacherholungsstätten geschieht, liegt weitab von dem, was ich hier dargelegt habe, und dürfte außer den klimatischen positiven Einflüssen eher negative Vorzeichen haben, denn soweit ich orientiert bin, beschränkt sich die Betreuung auf eine höchst ungenügende Kostform, gegebenenfalls auf die Anwendung von Hormonen und Zytostatika. Ich fürchte also, daß so geleitete Unternehmen keine optimale Wirkung hervorbringen.

Es bleibt leider so, daß man die teuersten Krebsheilmittel und Bestrahlungsgebühren gern einer zielgerechten Führung und Betreuung des Patienten und einer auch finanziellen Unterstützung für die Diät vorzieht.

Selbst inoperable, keiner Therapie mehr zugängige Kranke werden in die vollkommen ungenügende häusliche Betreuung entlassen, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Zeit erreicht ist.

Das sind Mißstände, die irgendwie einmal abgestellt werden müssen.

Die Last einer zu eng begrenzten Therapie trägt nicht nur der Kranke, sondern auch der Praktiker. Ich bin überzeugt davon, daß manche Bestrahlung unterlassen oder anders aufgebaut würde, wenn das furchtbare Ende vom Strahlentherapeuten selber betreut werden müßte. Es fehlt hier die Kontinuität der Erfahrung, die oft so heilsam für den Arzt wirkt.

Die Betreuung der Endzustände erfordert vom Praktiker ein fast unvorstellbares Maß menschlicher Größe, Gewissenhaftigkeit und Treue zu seinem Patienten - Positionen, die in der Gebührenordnung im Gegensatz zu den technischen Leistungen ungewertet bleiben.

Über die seelische Führung ist von Grote, Herberger und vielen anderen genügend gesagt worden. Ich darf nur ein Thema hier aufgreifen, was entscheidende Wichtigkeit für unsere Therapie hat; es ist die Frage, ob und unter welchen Umständen man einem Patienten die Diagnose mitteilen soll.

Wenn sich die Therapie auf Operation und Bestrahlung allein beschränkt, so schließe ich mich der Meinung an, den Patienten über seine Diagnose nicht aufzuklären, denn hier ist eine Mitarbeit des Patienten ja keineswegs notwenig.

Sowie aber im Sinne einer Ganzheitstherapie behandelt wird, würde ich dem Patienten immer dann seine Diagnose mitteilen, wenn ich aufgrund meiner Erfahrungen die Aussicht hätte, ihn längere Zeit symptomfrei zu halten bzw. den Verlauf wesentlich günstiger zu gestalten. Denn hier ist die Mitarbeit des Patienten unbedingt notwendig. Allein die Umstellung auf eine optimale Kost erfordert das Mitgehen des Patienten, das nur dann zu erreichen ist, wenn der Kranke einen solchen Ratschlag als sinnvoll erkennen kann. Auch die Änderung der Lebens-führung - wie der Verzicht auf schädigende Mengen von Alkohol, von Kaffee, das voll-kommene Absetzen des Nikotins - wird nur dann zu erreichen sein, wenn der Kranke weiß, warum er diese Opfer auf sich nimmt.

Eine erhebliche psychologische Schwierigkeit bietet bei der Entscheidung dieser Frage die Umgebung des Kranken. Wenn die Umgebung nicht mitgeht, halte ich es für einen psycho-logischen Fehler, gegen ihren Willen dem Kranken seine Diagnose mitzuteilen. Sehr häufig wird auch hier "Rom nicht an einem Tage erbaut". Oft hilft es, wenn man der Umgebung sagt, daß man keinesfalls gegen ihren Willen entscheidet und zunächst abwartet, ob man mit einer umfassenden Therapie für den Kranken und die Umgebung einen deutlich sichtbaren Erfolg erreichen kann. Ist das geglückt, haben also beide Teile erlebt, daß ein scheinbar verhängnis-voller Zustand sich dennoch bessern läßt, dann wird man für die übermittlung der Diagnose an den Kranken auch die Zustimmung seiner Umgebung erreichen können.

Ich darf betonen, daß ich noch nicht in einem einzigen Falle bei solchem Vorgehen einen seelischen Schock bei dem Kranken erlebt habe, wohl aber immer wieder die ganz charakteristische Außerung: "Das habe ich ja längst gewußt, und ich habe mich nur gewundert, daß Sie immer um den heißen Brei herumgegangen sind".

Wenn bei einem Inoperablen die Diagnose nicht übermittelt werden konnte, das heißt seine Mitarbeit nicht erreicht wurde, habe ich nur schlechte Verlaufsformen gehabt von dem Augenblick an, wo ich einen solchen Patienten aus der klinischen Behandlung entlassen mußte, wogegen wir häufig - auch bei Kranken, die sich über ihre Diagnose im unklaren waren - während des Klinikaufenthaltes eine deutliche Verbesserung der Verlaufsform feststellten, das heißt, wenn der Kranke durch eine sinnvolle Führung zu einer geeigneten Therapie veranlaßt wurde.

Ich bin mir über die Grenzen der hier gemachten Vorschläge völlig im klaren. Sie liegen im Unverständnis gegenüber der Diät beim Kranken und oft in der mangelnden Erziehung zum biologischen Denken in der Ausbildung des Arztes und in der Gewaltherrschaft der Gewohn-heit, die dem Kranken eine Umstellung erschweren. Die ungenügende Ausbildung unserer Ärzte macht es unmöglich, daß der Kranke in einer genügenden Anzahl auf Ärzte trifft, die wirklich mit dieser Behandlung Bescheid wissen. Im Interesse der Patienten ist es daher zutiefst zu bedauern, daß die Ärztekammern die wenigen Stellen, die hier eine Ausbildung von Ärzten ermöglichen könnten, zu dieser Ausbildung nicht heranziehen.

Bei all meinen Ausführungen ist mir durchaus bewußt, daß diese Richtlinien nicht nur ergänzt, sondern gegebenenfalls auch durch weitere Erfahrungen abzuändern sind. Aber das Erreichte ist mindestens eine Aufforderung, im Interesse des Kranken eine breite Nachprüfung nicht zu unterbinden.

Jenseits aller Statistik, die jetzt noch gar nicht möglich ist, läßt sich als Erfolg einer solchen Ganzheitsbehandlung heute schon sagen:
  1. Wir können die Lebenserwartung, die uns bisher bei den einzelnen Karzinomformen bekannt ist, ganz wesentlich günstiger gestalten. Sicher ist hier die zweifache, oft aber eine noch weit höher liegende Lebensdauer zu erreichen.
  2. Die Schmerzbekämpfung ist auch in schwersten Fällen ohne Morphinderivate möglich. 
  3. Bei Einsetzen einer umfassenden Ganzheitstherapie schon bei der Diagnose ist heute schon - auch ohne Statistik - sicher zu sagen, daß die Zahl der Rezidive sich erheblich einschränken läßt.

    Und hun noch eines: Es wird immer eine ganze Anzahl von Patienten geben, die weder Willen noch Einsicht haben, durch eine vernünftige Mitarbeit eine solche Therapie zu ermöglichen. Andererseits gibt es heute immer mehr Kranke, die sehnsüchtig nach einer Ganzheitstherapie ihres Leidens verlangen. Für diese sollte man Möglichkeiten schaffen; und aus dem Verlauf dieser Fälle wären dann wiederum so viele überzeugende Erfahrungen und Vergleiche zu bekommen, daß sich ein Steigen der Einsicht - bei Kranken und Ärzten - ohne Zweifel ergeben würde.

    DK 616 - 006 - 08 - 031.81

Schrifttum

  1. B a u e r, K. H.: Das Krebsproblem. Berlin: SpringerVerlag 1949 

  2. B a u e r, K. H.: Über Krebsstatistik und Krebsverursachung. 
    In: Z a b e 1 : Ganzheitsbehandlung der Geschwulsterkrankungen (S. 79-95). 
    Stuttgart: Hippokrates-Verlag 1953 

  3. Domagk, G.: nach Herberger (S. 94) 

  4. Freund u. Kaminer: Biochernische Grundlagen der Disposition für Karzinom. Wien: Springer-Verlag 1925 

  5. Gummel u. Lührs: Untersuchungen über den Einfluß verschiedener Antibiotika auf das Wachstum des Jensen-Sarkoms bei Ratten. Dtsch. Gesd.wes. 1954 

  6. H e r b e r g e r, W.: Behandlung und Pflege inoperabler Geschwulstkranker. Dresden: Th. Steinkopff Verlag 1960

  7. K i r s c h, R., und R i e c k, G..Ist die prophylaktische und therapeutische Anwendung der Antibiotika in der Karzinomchirurgie verantwortbar? Zbl. Gynäk. 77, 1955, Nr. 29 

  8. L a m p e r t : Überwärmung und Beeinflussung von Geschwulsterkrankungen. 
    In: Z a b e 1 : Ganzheitsbehandlung der Geschwulsterkrankungen (S. 199-202 u. Diskussion S. 202). Stuttgart: Hippokrates-Verlag 1953

  9. P a p e : Strahlenforschung und Strahlenbehandlung. Strahlentherap. 35, 1955, 116-125 - 

  10. Riedweg, F.: Weitere Erfahrungen mit Phytocorton und Phytandron. 
    Hippokrates 31, 1960 11 :381-384

  11. Röseler: Diskussion zu Tiegel in: Z a b e 1 : Ernährung und Krebs (S. 108-111). Schriftenreihe des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren, Bd. V. 1959 

  12. R ö s e 1 e r : über die Nachbehandlung operierter oder bestrahlter Kollum-karzinomkranker mit dem Mistelextrakt Plenosol. Zbl. Gynäk. 74, 1952, 48 :1905-1912

  13. S a e g e s s er, M.: Spezielle chirurgische Therapie (S. 166-167, Brustdrüsenkrebs). 
    Bern: H. Huber Verlag 1959

  14. S i e g in u n d : nach Herberger (S.94) 

  15. Teschendorf: Die Teleröntgentherapie. Stuttgart. Thieme-Verlag 1953 

  16. Warburg: Vortrag vor der 100. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Wiesbaden 1, 39 

  17. Willhelm (Chicago): nach Herberger (S.97)

  18. Zabel, W..- Welche neuen Richtlinien ergeben sich für die Dosierung der Röntgenbestrahlung bei gleichzeitiger zusätzlicher Behandlung der Geschwulsterkrankungen? In: Z a b e 1 : Ganzheitsbehandlung der Geschwulstkrankheiten (5. Berchtesgadener Kurs für Ganzheitsmedizin). Schriftenreihe für Ganzheitsmedizin, Bd. 13 (S. 41-47). Stuttgart: Hippokrates-Verlag 1953. S. a. Hippokrates 24, 1953, 9 : 270-277 

  19. Z a b e 1, W.: Ernährung und Krebs. Schriftenyeihe des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren, Bd. V, S-. 48-58. 1959 

  20. Z a b e 1, W.: Erzeugung eines gesteuerten Fiebers (Schlenzbad). Schriftenreihe für Ganzheitsmedizin, Bd. 7. Stuttgart: Hippokrates-Verlag 1950 

  21. über die Behandlung mit physiologischen Bakterien, 1.-5. Folge. Hrsg. vom Arbeitskreis für mikrobiologische Therapie, Frankfurt a. M., Baseler Str. 21.

Anschrift: Prof. Dr. med. W. Z a b e l, Berchtesgaden (Obb.) 

 

 


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