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In memoriam Dr. med. Josef Issels
Rückschau auf das Lebenswerk eines ärztlichen Reformators
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Dr. med. Josef Issels starb am 11.2.98, wenige Wochen nach Vollendung
des 90. Lebensjahres, in seinem selbstgewählten Exil Kalifornien an
Lungenentzündung. Mit Issels verliert die deutsche Ärzteschaft eine
ebenso geniale wie vorbildliche Persönlichkeit, der man wie so manchem
Protagonisten neuer Heilwege bis heute Respekt und Anerkennung schuldig
geblieben ist.
Issels vertrat als einer der ersten die Auffassung, daß Krebs a
priori in allen seinen Erscheinungsformen und Stadien eine Erkrankung
des gesamten Organismus sei, entstanden aus dem Zusammenwirken
mannigfacher endogener und exogener, den Menschen psychisch und physisch
schädigende Faktoren, und daß eine Besserung der unbefriedigenden
Heilerfolge nur nach systematischer Ausschaltung dieser
Therapiehindernisse, Wiederherstellung eines geordneten Stoffwechsels
und einer auch erst dann optimal gelingenden Aktivierung der
körpereigenen Abwehr- und zellulären Repairfunktion zu erwarten sei.
Unterbleiben diese Vorbedingungen jedoch, wie in der konventionellen
Onkologie üblich, so müssen auch die technisch perfektesten Methoden
der Geschwulstbeseitigung oder -vernichtung unbefriedigend bleiben. Nur
eine komplementäre, adjuvante und supportive Ganzheitstherapie vermag,
wie Issels hundertfach zeigen konnte, die Zahl der Teil- und
Vollremission zu steigern und außerdem die Angst der Gesunden vor der
Krebskrankheit zu verringern.
Der medizinische Werdegang von Issels war schon früh vom Kampf gegen
Krebs geprägt. Glückliche Umstände erlaubten ihm 1951 die Gründung
und Eröffnung der Ringbergklinik in Rottach-Egern am Tegernsee, in der
Issels sein geniales Programm einer komplexen immunologischen Behandlung
Krebskranker und Krebsgefährdeter im obenerwähnten Sinn verwirklichen
konnte. Dem dringenden Bedarf einer solchen Institution entsprechend,
setzte sofort ein alsbald lawinenartig anwachsender Zulauf
Geschwulstkranker beiderlei Geschlechts, aller Altersstufen und
Schweregrade ein. In der Mehrzahl waren unter diesen jene, die nach oft
jahrelanger erfolgloser konventionell-klinischer Behandlung als "inkurabel"
zum Sterben nach Hause geschickt und allein gelassen worden waren. Für
sie bedeutete die Ringbergklinik Zuflucht und letzte Hoffnung auf
Rettung in aussichtsloser Situation.
Klinik und Mitarbeiterstab mußten erweitert werden, Röntgenanlage
und Zahnstation kamen hinzu, das Therapiekonzept wurde erfahrungsgemäß
laufend verbessert. Die zunächst vereinzelten Behandlungserfolge bei
Schwer- und Schwerstkranken wiederholten sich. Mit seiner bereits 1953
herausgegebenen Schrift "Grundlagen und Richtlinien für eine
interne Krebstherapie" sowie in immer häufigeren Vorträgen und
Veröffentlichungen in den Fach- und Laienmedien informierte Issels die
Öffentlichkeit und die Ärzteschaft über die Notwendigkeit, die
Durchführung und die Erfolgschancen der von ihm initiierten
Krebstherapie. Er beabsichtigte und erzielte damit eine beachtliche
Verbesserung und Stabilisierung der auf operative, radiologische und
chemotherapeutische Weise erreichbaren Erfolge, ohne diese Methoden,
deren er sich von Fall Zu Fall durchaus bediente, irgendwie
geringzuschätzen.
Das IsseIssche Therapiekonzept war keine planlose Polypragmasie, als
die sie unsachliche Kritiker gelegentlich disqualifizierten, sondern
eine wohlüberlegte Kombination teils spezifischer, teils unspezifischer
Mittel und Methoden, wie sie damals in dieser Form und Systematik noch
nie gegen Krebs zur Anwendung gekommen war. Die Reaktionen der Patienten
wurden genau registriert und in die korrekt geführten Fieberkurven und
Krankenjournale eingetragen. Auch nach Beendigung oder Unterbrechung der
stationären Behandlung blieb der Patient mit der Klinik in Verbindung,
indem er das daheim anweisungsmäßig weitergeführte Temperatur- und
Therapieblatt von Zeit zu Zeit einschickte und daraufhin neue
Anweisungen, sei es zur Selbstbehandlung, sei es für die Betreuung
durch den Hausarzt, zugeschickt bekam.
Der IsseIsschen Informationsschrift von 1953 folgte 1959 ein
objektiver Bericht des niederländischen Onkologen Prof. Audier über
die Krankheitsverläufe von 252 Patienten mit klinisch einwandfrei
diagnostizierten und dokumentierten Malignomen, die als „unheilbar“
deklariert in die Klinik gekommen waren. Unter der IsseIsschen
Kombinationstherapie erreichten 42 derselben, d.h. 16,6%, die von der
Lehrmedizin als Kriterium der „Vollremission“ geforderte
Überlebenszeit und Beschwerdefreiheit von 5 Jahren.
Unter den zahlreichen Veröffentlichungen von Issels - eine
Zusammenstellung derselben liegt dem Verfasser dieses Nachrufs vor -
sind die beiden Hauptwerke hervorzuheben: „Mehr Heilungen von Krebs“
1972 und „Mein Kampf gegen den Krebs“1981.
Selbstverständlich blieben angesichts solcher auf neuen Wegen und
bis dahin nicht erreichter Heilerfolge die kollegialen Anfeindungen
nicht aus. Sie gipfelten in dem aus Bosheit, Denunziation und falschen
Anschuldigungen konstruierten, von der Bayerischen Ärztekammer unter
ihrem damaligen Präsidenten Severing inszenierten „Jahrhundertprozeß“,
der sich 4 Jahre durch mehrere Instanzen hinzog und zur vorübergehenden
Schließung der Klinik führte. 1964 wurde Issels in allen
Anklagepunkten freigesprochen und voll rehabilitiert. Dabei spielte ein
Gutachten des für seine ganzheitsmedizinische Einstellung damals
ebenfalls bekannten Prof. Zabel eine entscheidende Rolle. Es war ein
Sieg des Fortschritts über kleinkarierten, unduldsamen Dogmatismus.
Wer das Glück hatte, als Mitarbeiter Issels’ vorbildliche
Disziplin, ärztlichen Blick, wissenschaftliche Genauigkeit,
therapeutische Konsequenz, psychologisches Geschick und mitreißenden
Optimismus auch in kritischen Situationen zu erleben, dem bleiben diese
Eindrücke, menschlich und beruflich prägend, für immer in
Erinnerung.
Ermüdet vom Kampf gegen das Unverständnis der Schulmedizin und die
Windmühlen des Dogmas, aber nicht resignierend zog sich Issels Mitte
der achtziger Jahre in das ihm gesundheitlich besser bekömmliche
Florida zurück. Seine verwaiste Klinik geriet in die Hände von
Spekulanten, die glaubten, sich mit dem Namen Issels eine goldene Nase
verdienen zu können, ihr damit aber ein unrühmliches Ende bereiteten.
Issels selbst blieb nicht müßig und schuf sich drüben einen neuen
ärztlichen Freundeskreis. Vor einigen Jahren übersiedelte er nach
Kalifornien, wo er bis kurz vor seinem Tod an der Gerson-Krebsklinik in
Tijuana im Sinne seines Therapiekonzeptsberatend tätig war. Die
Therapiekontrolle dieses Hospitals soll nunmehr in eine prospektive
Studie alternativer Behandlungsmethoden des National Institutes of
Health in Washington eingebracht werden. Außerdem gründete und
verwaltete Issels eine Stiftung, die der Forschung, Förderung und
Verbreitung der immunologischen Krebstherapien dienen soll.
Wir können diesem hervorragenden Arzt und Forscher nur dadurch
unseren Dank und posthume Ehre erweisen, indem wir die gezielte
multifaktorielle Krebstherapie für immer als sein Verdienst anerkennen
und in ihrer jeweils zeitgemäßen Form zum Segen Tausender Kranker und
Gefährdeter anwenden, gemäß der uns von Issels hinterlassenen
Forderung und Verheißung "Mehr Heilungen bei Krebs".
Requiescat in pace.
Karl Windstosser. ZÄN
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