von Dr.med. Karl Konrad Windstosser
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III. |
Therapeutischer Teil |
(Nach einem auf der 19. Arbeitstagung der Deutschen Mediziniche
Arbeitsgemeinschaft für Herdforschung und Herdbekämpfung am 8.6.1969
in Bad Pyrmont gehaltenen Vortrag; K. Windstosser)
Das Thema meines Referates macht es erforderlich, daß ich zunächst auf die Sonderstellung des Herdes im Rahmen der Ganzheitstherapie speziell des Krebskranken etwas ausführlicher eingehe. Ich muß sogar noch etwas weiter ausholen, um Ihnen - soweit Sie sich mit diesem Problem noch nicht befaßt haben - die Ganzheitstherapie der Geschwulstleiden überhaupt verständlich zu machen. Meine Berechtigung dazu möchte ich mit der Tatsache legitimieren, daß ich seit einigen Jahrzehnten Mitglied der DAH bin, mehrere Jahre als Mitarbeiter von Dr. Issels und zuletzt auch längere Zeit als Oberarzt an der Klinik von Prof. Zabel gearbeitet habe. Wie Sie wissen, sind diese Anstalten Hochburgen der sorgfältigsten Herddiagnostik und kompromißlosesten Totalsanierung, wie es gerade bei malignen Erkrankungen unbedingt notwendig ist. Nach unserer heutigen, wesentlich erweiterten, weitgehend auch von der Schule schon bestätigten Anschauung ist der Krebs grundsätzlich kein rein lokales, zellularpathologisches Geschehen, sondern hinsichtlich seiner Genese, seinem Verlauf und seiner therapeutischen Beeinflußbarkeit primär ein vorwiegend humoraler Stoffwechselvorgang, vergleichbar mit Rheumatismus oder Diabetes, Krankheiten, die in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung auch lokale Schäden oder Beschwerden verursachen, ohne daß diese örtlichen Folgezustände mit dem zugrundellegenden Leiden identifiziert werden dürften. Generell können wir über die Krebsentstehung sagen: Ein bis dahin gesunder Organismus wird durch verschiedenartige endogene und exogene Noxen in mehreren Systemen und Organen so geschädigt, daß im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten in ihm die krankhafte Fähigkeit entsteht, zunächst die Präkanzerose, dann das Tumormilleu zu entwickeln. Auf dem Boden des Tumormilleus kommt es durch letzte auslösende Faktoren schließlich zur Tumorbildung. Der Tumor bzw. das Tumoräquivalent löst seinerseits weitere pathologische Veränderungen oder örtliche Störungen aus, die wir aber während des ganzen Krankheitsverlaufes mehr oder weniger exakt von den primären Kausalfaktoren unterscheiden müssen. Auf dieser Erkenntnis und Auffassung des ganzen Krebsproblems beruht konsequenterweise auch unsere Einstellung zu jeglichem operativen oder strahlentherapeutischen Vorgehen. Die Beseitigung der Geschwulst durch lokal angreifende Maßnahmen ist und bleibt Aufgabe des Chirurgen, Radiologen, Chemotherapeuten. Auch die wirksamste Ganzheitstherapie kann vorerst auf diese - teils kurativen, teils palliativen - Eingriffe nicht verzichten. Jedes Gramm Turmorsubstanz, das der Chirurg mit dem Messer zu entfernen vermag, erleichtert der internen Therapie und der von ihr unterstützten körpereigenen Cytostase und Cytolyse die Arbeit. Wir müssen uns aber immer bewußt bleiben, daß Stahl und Strahl nicht zu beeinflussen vermögen die inneren metabolischen Voraussetzungen der Geschwulst, nicht ändern können das, was wir als Präkanzerose und Tumormilieu bezeichnen, und auch nicht bessern und heben die körpereigene Abwehr, die wir als Bundesgenossen gegen die malignen Zellen so notwendig brauchen. Hier liegen die Ursachen der Rezidivbildung und der Metastasierung, und hier liegen auch die Ansatzpunkte zu einer internen Vor- und Nachbehandlung des Krebskranken, die sich als Teamwork zwischen dem Operateur oder Radiologen einerseits, dem Ganzheitstherapeuten andererseits abzuspielen hat. Nur auf diesem Weg kommen wir allmählich zu einer Besserung der trotz aller erzielten Fortschritte der Chirurgie seit Jahrzehnten immer noch um 13 Prozent liegenden Fünfjahreserfolge der ausschließlich lokal ausgerichteten Krebsbehandlung, die sich bei Einschaltung einer systematischen internen postoperativen Therapie aber nachweislich auf mindestens 30 Prozentverbessern lassen. Die Erörterung der Zusammenhänge Krebs und Herdgeschehen auf einem medizinischen Forum ist im allgemeinen ein heißes Eisen, und zwar sowohl was den zahnärztlichen als auch was den ärztlichen Aspekt betrifft. Weil sich aber ganz einfach zahlenmäßig beweisen läßt, daß wir unter den Tumorkranken eine besonders hohe Rate von Herdträgern finden, und weil es sich außerdem immer wieder bestätigt, daß der sanierte Krebspatient besser auf jede biologische Behandlungsmaßnahme anspricht als der nicht sanierte, fühlen wir Ganzheitstherapeuten uns berechtigt und verpflichtet, die Herddiagnostik und Vollsanierung als unbedingte Notwendigkeit an die Spitze jeder Geschwulstbehandlung zu stellen. Dazu kommt die Tatsache, daß 40 Prozent der Krebskranken nicht unmittelbar an ihrem Tumor, sondern an einem toxischen Herz- und Kreislaufversagen oder an einer toxischen Leberschädigung sterben. Diese Toxine stammen sicher z. T. aus dem Tumor oder aus den Metastasen, z. T. aber ebenso sicher aus den Herden, die in einem schon anderweitig geschädigten Organismus immer zahlreicher werden können und sich wegen des allmählichen Erliegens der körpereigenen Abwehr und Immunität immer verhängnisvoller auswirken. Der Zahnherd steht, wie Sie wissen, mit über 80 Prozent an der Spitze der Herdmorbidität. Zabel (9) fand bei 238 nicht ausgewählten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren 936 devitale Zähne mit 636 röntgengänologisch bzw. bioptisch bestätigten Herden, 633 sonstige Veränderungen wie Verschattungen, Sequester, Restostitiden, Nischen, Kavernen, Impaktierungen usw. Je Patient waren es also 2,6 manifeste Herde, 3,9 devitale Zähne, zusammen 6,6 "Störfelder" je Patient, wenn wir es verallgemeinernd so nennen wollen. In einer vor über 10 Jahren entstandenen Arbeit (8) habe ich weitere Zahlen über die Häufigkeit oraler Herde zitiert. Die Entherdung und Sanierung des Geschwulstpatienten ist deshalb so außerordentlich wichtig, weil die Fokaltoxikose einen der gefährlichsten Kausalfaktoren des Karzinoms darstellt. Das Herdgeschehen, besonders seitens der Kopfherde, führt, wie wir heute wissen, zu einer dreifachen Schädigung: 1. des Zwischenhirns, 2. der Atmungsfermente, 3. der mikrobiellen Symbiose und Endobiose. Soweit diese Wirkungen nicht auf dem Weg diencephal-neuraler Fehlsteuerungen entstehen, dürfen wir nach den Arbeiten von Gäbelein, Schug-Kösters, Pischinger u. a. dies auf hochtoxische Substanzen zurückführen, die beim Zerfall des Pulpeneiweiß entstehen. Gäbelein (1) hat als Produkte der schleichenden Pulpengangrän, Methylmerkaptan, Dimethylsulfid, Diäthylsulfid und Schwefelwasserstoff nachgewiesen. Gewiß können diese Gifte auch aus kranken Organen oder Körperteilen, z. B. aus einem thrombophiebitischen Bein oder von einer Fäulnisdyspepsie des Darmes herrühren, auf den wir ohnehin noch zu sprechen kommen, selbstverständlich auch aus einem zerfallenden Tumor direkt. Gäbelein hat aber auch beim Fehlen jeder anderen Quelle, nur beim Vorhandensein eines einzigen devitalen Zahnes diese hochtoxischen Gifte nachgewiesen und nach Extraktion des Zahnes verschwinden sehen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, daß wir über eine von Gäbelein angegebene einfache Methode verfügen werden, mit der diese Gifte im Harn vielleicht sogar quantitativ bestimmt werden können. Sie sind deshalb so besonders gefährlich und direkt als Karzinogene anzusprechen, weil sie die teils in der Zellmembran, teils in den Mitochondrien gebildeten und deponierten Atmungsfermente schädigen. Eine gestörte Zellatmung aber ist, wie wir aus den Forschungen von Jung, Seeger, Warburg u. a. wissen, die erste Voraussetzung der krebsigen Entartung und der damit verbundenen anaeroben Glykolyse. Die Forderungen, die Druckrey an ein Karzinogen stellt: Ständiges Vorhandensein, jahrelange Einwirkung, toxische Wirkung auch in minimaler Dosis, werden von keinem Karzinogen klassischer erfüllt als vom Fokaltoxin. Die Entfernung massiv granulomatöser Zähne und Wurzelreste allein ist aus diesem Grund nicht ausreichend. Weit tückischere Herde sind die devitalen Wurzeln mit völlig negativem röntgenologischen Befund, seien sie nun gefüllt oder nicht. Sie werden leider vielfach für ungefährlich gehalten, weil sich die meisten Ärzte und Zahnärzte über die sich hier abspielenden Nekrotisierungs- und Intoxikationsvorgänge nicht im klaren sind. Die in den Dentinkanälchen baumartig verzweigten Odontoblastenfortsätze der Pulpa sterben mit dem Tod letzterer automatisch ab. Sie werden von keiner noch so sorgfältigen antiseptischen Wurzelbehandlung erfaßt, gehen in Fäulnis über und verbleiben in jedem Fall als Toxinquelle. Es gibt keine konservative Wurzelbehandlung, die den Patienten nicht in die größte Gefahr einschließlich der Krebsdisposition bringt! Angesichts dieser Tatsache ist es um so unbegreiflicher, wie schwer sich Ärzte und Zahnärzte zu den nötigen Konsequenzen entschließen und wie leichtfertig etwa Prof. Harndt, Berlin, noch im Februar 1966 behauptet (3): "Wenn man die Methoden der orthograden Wurzelfüllung nur recht beherrscht, genügt das vollkommen. Der Praktiker braucht sich um den jeweiligen Stand der Herdlehre nicht weiter zu kümmern. Es genügt, wenn nach der Gangränbehandlung des pulpentoten Zahnes der Schmerz verschwindet, eine Knochenfistel sich schließt und der Zahn lokal nicht mehr reagiert." Mit einer solchen Einstellung kommen wir heute einfach nicht mehr weiter, und ein Zahnarzt mit solchen Grundsätzen stiftet mehr Schaden als Nutzen. Jede Sanierung beginnt auch bei der Ganzheitsbehandlung eines Krebskranken mit einer gewissenhaften Vitalitätsprüfung aller Zähne, auch der unverdächtigen. Dem hat ein vollständiger Röntgenstatus zu folgen, der auch die Zahnlücken, die zahnlosen Kieferpartien und die Kieferwinkel erfassen muß. Dann folgen 1-2 Testmethoden. Wir haben gestern gesehen, daß die Genauigkeit derselben weitgehend übereinstimmt. Es soll also jeder mit dem Gerät arbeiten, das ihm am besten liegt. Ich persönlich bevorzuge das Vollsche EAP-Gerät, weil wir damit auch Therapie betreiben und die für die Nachbehandlung erforderlichen Organpräparate, Neoden und homöopathischen Potenzen finden können, wie Sie gestern von Herrn Kramer gehört und gesehen haben. Nun erst kann der eigentliche Sanierungsplan aufgestellt werden, der gerade beim Schwerkranken einer sehr genauen Berücksichtigung aller physischen und psychischen Momente bedarf. Bestehen keine Kontraindikationen und ist keine vorbereitende Behandlung erforderlich, so wird jede Generalsanierung mit der Entfernung der Zahnherde begonnen. Das Extraktionsprogramm hat der Zahnarzt zu bestimmen, dem wir Krebsbehandler nur insofern Vorschriften machen, als bei unseren Patienten keinesfalls Jodoform und keinesfalls Penizillin verwendet werden darf. Antibiotica schädigen nachweislich die körpereigene Abwehr, die wir ja gerade heben wollen. Über die nach Röntgenbestrahlungen nicht seiten bestehende Leuko- und Thrombopenie sind wir zu diesem Zeitpunkt unterrichtet und können auch ohne Penizillin entsprechenden Schutz vor dem Eingriff geben. Die gründliche Ausräumung der Alveolen und die Kontrollaufnahmen nach der Extraktion im Bedarfsfall bedürfen keiner Erwähnung. Kosmetische oder prothetische Überlegungen haben in der lebensgefährlichen Situation eines Krebskranken sekundäre Bedeutung. Ein guter Zahnarzt wird in Zusammenarbeit mit dem Ganzheitstherapeuten psychologisch wie technisch auch der schwierigsten Situation gerecht werden. An zweiter Stelle in der Häufigkeit der Kopfherde stehen die Tonsillen. Sie sind beim Krebskranken - ich formuliere absichtlich etwas überspitzt - so lange als beherdet anzusehen, bis mehrfache Teste das Gegenteil bewiesen haben. Diese Untersuchung nehme ich grundsätzlich erst nach Entfernung der Zahnherde vor. Ich bediene mich dabei ebenfalls der Elektro-Akupunktur, des EHT-Verfahrens, des Tonsillen-Massagetests und des Antistreptolysintiters. Spricht die Mehrzahl der Teste dafür, daß das Mandelgewebe nicht mehr regenerationsfähig ist, so sind die Tonsillen in diesem Fall nicht mehr erhaltungswürdig. Sie schaden dann mehr als sie nützen. Stets hat aber ein tüchtiger HNO-Arzt die letzte Entscheidung. Glücklich, wer draußen in seiner Praxis solche Helfer hat. Selbst in der Stadt oder in einem Kurort ist das nicht immer der Fall. Wie Prof. Thielemann (7) immer wieder betont, sind die gefährlichsten Herde stets die Zahn- und Knochenherde. Nach ihrer Entfernung können die Schleimhaut- und Mandelherde meist zur Ausheilung gebracht werden. Ist nun die Entherdung glücklich überstanden, so ist damit erst der 1. Akt der Sanierung abgeschlossen. Denken Sie bitte an die erwähnte dreifache Schädigung, unter der auch der entherdete Patient immer noch steht: An die Schädigung des Dienzephalons, an die Schädigung der Atmungsfermente, an die pathologisch veränderte Symbiose und Endobiose. All diese Veränderungen und Defekte beheben sich nur ganz allmählich und unter optimalen Voraussetzungen, oder auch gar nicht, wenn die Regenerationskraft des Organismus durch vielerlei weitere Belastungen, Zivilisationsschäden, Erbgifte, Genußgifte, bürgerliche Mangelkost usw. dazu einfach nicht in der Lage ist. Und das ist gerade beim Krebskranken leider meist der Fall. Dazu kommt noch ein weiterer Umstand, der in der gesamten Therapie viel zu wenig Beachtung findet. Ebenso wie wir im Blut in den Endobionten eine unübersehbare Armee von Freunden oder Feinden besitzen, je nach der Art unserer Lebensführung, ebenso ist die Haut, die Schleimhaut, der gesamte Eingeweidetrakt mit Milliarden von Symbionten besiedelt, die ebenfalls ein genauer Gradmesser unseres Gesundheitszustandes sind. Die Endo- und Symbiose ist eine elementare Gegebenheit. Sie muß nicht nur registriert, sondern aktiv unterstützt werden, weil sie die Voraussetzung für das Gedeihen jedes Lebewesens überhaupt ist. Die Verbreitung dieser Erkenntnis erscheint mir gerade heute so besonders wichtig, da sich immer mehr Ärzte ihre Tätigkeit kaum mehr ohne die ununterbrochene Anwendung antibiotischer, d. h. lebensfeindlicher, symbiosefeindlicher Präparate vorstellen können. Man hat Versuche gemacht mit steril geborenen und völlig keimfrei aufgezogenen Tieren. Diese weisen alsbald charakteristische Entartungserscheinungen auf. Vor allem verschwindet merkwürdigerweise sehr bald das lymphatische System, das größte Schutz- und Abwehrsystem, das die höheren Lebewesen besitzen, jenes System, das bei den Kulturvölkern schon in der frühesten Kindheit funktionsunfähig ist und zum Gegenstand teils notwendiger, teils überflüssiger chirurgischer Eingriffe wird, sei es am Rachenring, sei es am Blinddarm. Das verkümmerte Lymphsystem jener Steriltiere kann durch keinen einzigen Nahrungs-bestandteil, durch kein Vitamin, kein Hormon und kein Enzym zur Entwicklung gebracht werden, auch nicht durch abgetötete Bakterien. Dies gelingt einzig und allein durch Verfütterung lebender Bakterien. Hier haben wir den Schlüssel für die Notwendigkeit und Nützlichkeit der menschlichen Sym- und Endobiose. Nur der symbiosefähige Organismus ist vollgesund. Unsere ärztliche Aufgabe ist es also, die Symbiosefähigkeit zu stärken und zu unterhalten, und zwar durch regelmäßige Zufuhr physiologischer Bakterien, etwa apathogene Kokken für Nase und Rachen, Acidophilus und Coli für den Darm. Auch mit einer natürlichen Vollwertkost nehmen wir ständig bestimmte Keime zu uns, aber auch andere makromolekulare Zellbestandteile, Gene, Mitochondrien, kurz: lebende Informationen. Santo und Rusch (5, 6) formulieren dies so: "Leben kann nur durch lebendige Substanz erhalten werden." Wer nun totgekochte Nahrung zu sich nimmt, die zudem auch keine nützlichen Bakterien mehr enthält, braucht sich über das Zugrundegehen seiner Organe und Gewebe nicht zu wundern. Unserem lymphatischen System obliegt aber nicht nur Schutz und Abwehr, sondern auch der Abtransport der zellulären Abbauprodukte, also die Zellregeneration. Kann es diese Aufgabe nicht erfüllen, so herrscht Degeneration vor, was gleichbedeutend ist mit Praekanzerose und Karzinogenese. Nur lebendige Substanz in der Nahrung und lebendige Mikroben können diesen Defekt ausgleichen, keine antibakteriellen oder antibiotischen Fremdstoffe. Und hier haben Sie nun einen der Hauptpunkte dessen, was wir als sanierende Nachbehandlung aufzufassen haben. Ohne ganzheitliche Nachbehandlung können wir weder von Sanierung noch von Fokaltherapie sprechen, höchstens von "Entherdung". Während der Nachbehandlungsperiode benötigt der Kranke eine möglichst sorgfältig zusammengestellte und zubereitete Vollwertkost. Es ist hierüber schon so viel geschrieben worden, daß ich Ihre Zeit damit nicht allzu lange in Anspruch nehmen möchte. Eine solche Heilkost muß vor allem viele Vitalstoffträger und viel hochwertiges, leichtverdauliches Eiweiß enthalten. Vitalstoffe dürfen wir hier nicht gleichsetzen mit Vitaminen, weil diese bei jedem Mediziner eine Kurzschlußassoziation mit pharmazeutischen Präparaten auslösen. Es handelt sich hier eben nicht um Ascorbinsäure, Aneurin, Pantothensäure und all den Kram, den wir auch in der Apotheke kaufen können, sondern schlechthin um das Prinzip der lebendigen Substanz in unserer Nahrung, ohne die wir zwar vegetieren, aber nicht gesund sein können. Mein Lehrer Bircher-Benner hat dieses Prinzip schon um die Jahrhundertwende als "Sonnenlichtenergie" bezeichnet, in einer Zeit, die noch keine Vitamine kannte, und hat Tausende seiner Patienten durch die Nutzanwendung seiner Lehre geheilt. Auch unseren Krebskranken geben wir heute einen möglichst großen Anteil ihrer Nahrung als Frischkost, weil schon eine Erhitzung auf 50˚ zur Schädigung oder Vernichtung lebenswichtiger Inhaltsstoffe, besonders der atemaktiven Enzyme und Fermente führt. Höhere Hitzegrade verursachen eine Denaturierung auch der Eiweißkörper, weshalb wir uns bemühen, dem Kranken möglichst viel natürliches Milcheiweiß zuzuführen, am besten in Form milchsaurer Gärungsprodukte wie Buttermilch, Joghurt, Quark, in denen gleichzeitig wieder Bakterien zur Symbioselenkung enthalten sind. Bedenken Sie, daß der Erwachsene über 50 Prozent seiner Eiweißzufuhr zur Erzeugung seiner Fermente, Enzyme und Hormone benötigt. Bei Eiweiß-mangel andererseits kann es zu unerwünschten Tumoreinschmelzungen kommen und damit zu einer verhängnisvollen Steigerung der toxischen Situation. Überfütterung mit Eiweiß, besonders mit tierischem Eiweiß, ist allerdings auch nicht erwünscht, weil wir damit wieder allergischen Vorgängen Vorschub leisten, die wir in der Nachbehandlungsphase eines Fokuspatienten ebenfalls vermeiden wollen, außerdem zu Darmfäulnis und zu einer unerwünschten Hochzüchtung pathologischer Endobionten. Andeuten will ich hier noch, daß der Krebskranke grundsätzlich keine Dextrose, also keinen Industrie- oder Traubenzucker bekommen darf, weil wir damit die anaerobe Glykolyse fördern und das Tumorwachstum anregen, und daß wir überhaupt alle verfeinerten Stärkeprodukte einschränken müssen, weil sie den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. Wir bemühen uns, diesen unter 100 zu halten. Vollkornprodukten geben wir deshalb den Vorzug. Außerdem verbieten wir in Befolgung der Reckewegschen Homotoxinlehre grundsätzlich Schweinefleisch und alles, was Schweine-fleisch enthält, weil die Sutoxine ebenfalls zu einer unerwünschten Milieuverschlechterung führen und die Entgiftungsvorgänge erschweren. Tierische Fette, besonders die Depotfette, müssen einschließlich Butter und Milchfett gleichfalls möglichst völlig ausgeschaltet werden, weil sie zu viel Cholesterin und zu wenig hochungesättigte Fettsäuren enthalten. Wir ersetzen sie durch Eden Spezial als Streichfett, Diäsan und kaltgeschlagene Öle für den Küchen-gebrauch. Es gibt jetzt ein Distelöl in den Reformhäusern, das 70 bis 75 Prozent hochun-gesättigte Fettsäuren enthält, die wir gerade bei der Dysoxybiose sowohl des Geschwulst-kranken als auch des beherdeten Patienten als wichtigen Sauerstoffschlepper und Oxydations-katalysator benötigen. Gleichzeitig mit der Normalisierung der Ernährung hat die Symbioselenkung einzusetzen, die gewissermaßen mehrgleisig und in verschiedenen Stufen zu erfolgen hat. Wir müssen beseitigen die Dysbiose des Blutes, der Schleimhäute und des Darmes. Für das Blut verwende ich gerne die Chondritine nach Prof. Enderlein. Die von ihm geschaffene Therapie beruht im wesentlichen darauf, daß die höhervalenten, pathogenen Formen des Endobionten dann zu einer rückläufigen Entwicklung in die niedrigen, apathogenen, biologisch aktiven Valenzen gebracht werden können, wenn wir bestimmte Entwicklungsphasen dieser niedrigen Valenzen sozusagen als Katalysatoren - dem Kranken parenteral oder enteral zuführen. Auch hier begegnen wir wieder dem Prinzip der Ordnungstherapie, eine fehlgeleitete, krankhafte Symbiose nicht durch antibiotische oder aritiseptische Gewaltmaßnahmen, sondern durch einen der Natur abgelauschten Trick, gewaltlos in die biologische, lebenserhaltende Eubiose zurückzuführen. Zur Normalisierung des Blutparasitismus trägt selbstverständlich indirekt auch die Vollwertkost bei, weil diese azidotisch wirkt, d. h. den sowohl bei beherdeten wie bei krebsgefährdeten Individuen ins Alkalische verschobenen Blutwert in Richtung Neutralpunkt reguliert. Pathologische Endobionten können aber nur in einem alkalischen Blutmilieu gedeihen. - Auch bei der Symbioselenkung für Schleimhäute und Darm bedarf es einer genauen Systematik. Den Grad der vorliegenden Dysbiose stellt man zu Beginn der Behandlung ja immer durch bakteriologische Untersuchung des Stuhles, manchmal auch des Rachenabstriches fest. Zusätzlich und laufend werden außerdem Blutbilder nach der von Becker angegebenen Methode ausgewertet. Bei starken Dysbiosen, denen wir heute immer häufiger begegnen, muß der Organismus zunächst an bakterielle Substanzen gewöhnt werden, an die sog. Antigene. Die bekanntesten sind das Coliblogen der Fa. Laves und das Prosymbioflor des mikro-biologischen Labors in Herborn. Das sind keine Bakterien, sondern zeilfreie Flitrate, die nicht denauturiertes Bakterieneiweiß enthalten. Man gibt es in langsam steigender Dosierung oral oder parenteral. Erst dann geht man zu den apathogenen Kokkenarten über, etwa Symbioflor 1 und weiterhin zu den Dünndarmsymbionten wie Acidophilus und Bifidus, die in verschiedenen Präparaten, auch im EugalanTöpfer und in den lege artis hergestellten Yoghurtprodukten enthalten sind. Coli-Schluckvaccinen werden erst dann gegeben, wenn die Vorstufen der Symbioselenkung erfolgreich und komplikationslos verlaufen sind. Es ist in den meisten Fällen falsch, mit der Colisanierung unmittelbar zu beginnen. Denn wir müssen mittels der Kokken- und Lactobazillenzufuhr zuerst das gesamte lymphatische System aufbauen, insbesondere das des Dünndarmes, die Payerschen Plaques, regenerieren, weil wir dies als Schutzwall gegen das Aufwärtswandern der Dickdarmflora benötigen. Eine voreilige Coli-Therapie ist mangels eines geeigneten Nährbodens also nicht nur nutzlos, sondern u. U. sogar schädlich. Wir sprechen auch nicht gerne von einer Coli-Implantation, denn so einfach wie im Radieschenbeet geht die Sache eben nicht vor sich. Es handelt sich vielmehr bei jeder Symbioselenkung eher um eine Art "Verdauung" der zugeführten Mikroben. Der Organismus verwendet die Bakterienbestandteile tatsächlich zum Einbau in sein Lymphsystem. Kolb, Rusch und Santo (4, 5, 6) haben diesbezügliche mikrophotographisch belegte Beobachtungen veröffentlicht. Auch der von Enderlein zuerst beschriebene und richtig gedeutete Blutpara-sitismus geht über die Vorgänge eines reinen Nebeneinander weit hinaus bis zu echten Kernverschmelzungen und mutuellen chromosomalen Austauschvorgängen zwischen Wirtszelle und Endobiont. Über den fortschreitenden Erfolg der Symbioselenkung gibt uns immer wieder das gefärbte oder im Dunkelfeld beurteilte Blutbild Aufschluß, wobei besonders auf die Leukozyten und Lymphozyten zu achten ist. Röntgenbestrahlungen, Antibiotika, Cytostatika und jede sonstige Chemotherapie, auch der übliche bürgerliche Nährschaden, erschweren allerdings diese Beurteilung bis zum völligen Unvermögen. Wir müssen die Symbloselenkung in solchen Fällen zunächst nach Gesichtspunkten der Erfahrung einleiten und können dann erst nach allmählicher Normalisierung und Entgiftung eine verwertbare Aussage der Blutuntersuchung erwarten. Die Beckersche Blutbildauswertung gibt einen genaueren Einblick in das Stoffwechselgeschehen als das übliche klinische Blutbild. Es setzt allerdings eine besondere Schulung, einwandfreie Technik und Färbung, vor allem aber genaueste Unterscheidung zwischen Lymphozyten und Monozyten voraus. Näher möchte ich aus zeitlichen Gründen hier auf diese sehr subtile und aufschlußreiche Methode nicht eingehen. Ich habe Ihnen die Vollwertkost und die Symbioselenkung als die wichtigsten Hilfen bei der Nachbehandlung entherdeter Patienten genannt. Grundsätzlich zählen hierher aber natürlich alle Verfahren, durch die das körpereigene Abwehr- und Regenerationsvermögen gesteigert wird, also jede gezielte und individuell verabreichte Hydrotherapie, die Homöopathie, die Behandlung mit Nosoden, die cytoplasmatische Therapie, das Heilfasten, die Neuraltherapie und Akupunktur. Hervorzuheben ist auch die Blutsauerstoffbehandlung nach Wehrli, deren wir uns in Anbetracht der Dysoxybiose des Tumorkranken mit besonderer Vorliebe bedienen. Im Verlaufe einer Ganzheitstherapie brauchen all diese Heilmethoden nicht etwa gleichzeitig angewandt zu werden, aber bei höherer Gefahrenstufe muß rascher, bei geringerer Gefahr kann langsamer gehandelt werden. Aufschluß über die jeweilige Notwendigkeit und Erfolgsaussicht gibt uns der Einblick in das Stoffwechselgeschehen, den uns die verschiedenen Teste und Labormethoden vermitteln, und der Patient selbst durch sein Befinden, um dessen Beobachtung und Verwertung wir uns inmitten der unaufhaltsamen technischen Perfektionierung der Medizin immer wieder bemühen wollen. Der Zweck dieses Referates ist, darauf hinzuweisen, daß es mit der Entherdung, und sei sie noch so gewissenhaft und technisch vollkommen durchgeführt, nicht sein Bewenden haben darf. Wenn wir von einer Sanierung sprechen wollen, so müssen wir den fokaltoxisch geschädigten Kranken einer ganzheitlichen, internen Therapie zuführen, und das vor allem dann, wenn ein malignes Leiden vorliegt oder droht. Vollwertkost und Symbioselenkung sind nach meiner Überzeugung für diesen Teil der Tumortherapie unsere wirksamsten Waffen. Versuchen Sie, diese einfachen, unschädlichen und erfolgreichen Methoden in Ihre Behandlungsweise einzubauen, zum Segen Ihrer Patienten. Wir wollen Ärzte bleiben, die sich einen Rest Naturverbundenheit erhalten haben, und diese an unsere Kranken weitergeben. |
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NEU: www.windstosser-museum.info
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