von Dr.med. Karl Konrad Windstosser
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III. |
Therapeutischer Teil |
Daß beim Krebskranken und Krebsgefährdeten vielfach eine überschiessende Fibrinbildung bei gleichzeitigem Mangel an fibrinolytischen Enzymen besteht, ist eine leider noch viel zu wenig bekannte und therapeutisch verwertbare Tatsache. Berichtet eine Vorgeschichte von einer Häufung phlebitischer oder thrombotischer Erkrankungen, wobei ich besonders auf die Phlebitis migrans hinweisen möchte, so sollte dies immer den Verdacht auf erhöhte Krebs- und Metastasierungsgefahr erregen. Denn der Ansiedelung flottierender Malignomzellen geht immer eine Mikrothrombenbildung im Kapillarbereich der betreffenden Stelle voraus. Im übrigen verursacht auch das krebsbegünstigende Herdgeschehen chronisch-rezidivierende Phlebitiden und Trombosen, so daß sich in diesen Fällen immer die Frage empfiehlt: Wo ist der Herd? Bedeutsam ist ferner, daß sich die Krebszelle mit körpereigenem Fibrin tarnt. Wir kennen sogar die Struktur und einzelne Bestandteile dieser Tarnung (cross lincage), u.a. die dazu verwendete Neuraminsäure, der man mit dem körpereigenen Enzym Neuraminidase erfolgreich auf den Leib gerückt ist. Auf dem letzten Kongress der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr im Mai berichtete Prof. ROTHAUGE von bemerkenswerten Heilerfolgen bei Blasenkarzinom, indem er mit Neuraminidase inkubierte, inaktivierte Krebszellen den Patienten als Vaccine injizierte. Das für den Praktiker aktuelle Verfahren ist die enzymatische Reduzierung des Fibrinüberschusses, wobei es z.T. auch gelingt, den tarnenden Schild der Krebszellen aufzulösen (das "Deshilding", wie man es in den USA nennt) und sie damit dem Immungeschehen des Körpers als Antigen nicht nur erkennbar, sondern auch angreifbar zu machen. Eine Reihe von Forschern ist diesen Zusammenhängen nachgegangen und hat sowohl diagnostische als auch therapeutische Konsequenzen daraus gezogen. Was die Diagnostik betrifft, bitte ich Sie, die von GASCHLER, WOLF und GRAVEZ unabhängig voneinander beschriebene, technisch relativ einfache Bestimmungsmethode des fibrinolytischen Index in meinem Büchlein über die Summationsdiagnostik nachzulesen. Hier wollen wir uns nur über die Therapie unterhalten, und diese zielt darauf ab, die Fibrinbildung möglichst einzuschränken und die fibrinolytische Fähigkeit des Blutes zu heben, mit anderen Worten: Die Gerinnungsfähigkeit zu reduzieren, die Viskosität zu senken. Darüber haben vor allem RIES, München, und LUDWIG, Essen, Untersuchungen angestellt, die so eindeutig erfolgreich ausfielen, daß es nach. Auffassung dieser Autoren nicht mehr zu vertreten ist, etwa Vergleichsgruppen von Patienten zu Studienzwecken heute noch Fibrinolytika und Antikoagulantien vorzuenthalten. Die Überlebensquote selbst nachträglich laufend heparinisierter Krebspatienten der Stufen II und III liegt um 10 % höher als die postoperativ ohne solche Präparate belassener bei sonst gleicher konventioneller Therapie. Was die dazu verwendbaren Präparate betrifft, so bieten sich zunächst die schon von WEHRLI bei seinen ersten HOT-Behandlungen verwendeten körpereigenen Substrate Heparin und Liquemin an, wöchentlich 2 - 3 mal 1 ml oder mehr aus der 10 ml-Ampullenflasche mit 10 000 E. Wir verwenden diese Menge zweckmäßigerweise gelegentlich der Eigenblutbehandlungen, sei diese nun mittels des Hämoaktivators nach HÖVELER, des Sangu-Tron UV-Gerätes der Firma Eidam oder einer der vielen, längst allzu viel gewordenen Apparaturen, die drüben in der Ausstellung zur kleinen oder großen O2 O3-Therapie angeboten werden. Wir haben dabei den Vorteil, das Blut beliebig lang mit dem O2 O3 - Gemisch durchschütteln zu können ohne Gefahr der Gerinnung und benötigen dazu nicht mehr die von mir - wie im Kapitel Mineralsalze begründet - abgelehnte Natriumzitratlösung, die von den verschiedenen Apparateherstellern leider immer wieder verkauft wird, obwohl dies gegen das Arzneimittelgesetz verstößt. Bei der angegebenen Dosierung der Fibrinolytika bzw. Antikoagulantien erübrigt sich die Überwachung der Gerinnungsfaktoren. Berichtet uns der Patient, daß die kleinen Stiche seiner Injektionen stärker zu bluten beginnen oder daß er stärker blute beim Zähneputzen, bei den Menses usw., so setzen wir die Mittel ab, ihre Wirkung erschöpft sich innerhalb weniger Tage. Selbstverständlich wird man diese auch nicht unmittelbar vor operativen Eingriffen, Mandelsanierungen, Zahnextraktionen usw. geben. Wenn wir aus irgendwelchen Gründen rasch normale Gerinnungsverhältnisse schaffen wollen, so gelingt dies mit Protamin. Die Sorte 1000 inaktiviert mit 1 ml die Wirkung von 1000 E Heparin oder Liquemin, die Sorte 5000 inaktiviert mit 1 ml die Wirkung von 5000 B innerhalb weniger Stunden. Es gibt eine Reihe weiterer antikoagulativ bzw. fibrinolytisch wirkender Präparate zum oralen oder rektalen Gebrauch. Unter ihnen ist wohl am bekanntesten Wobe Mugos. Um den in der Tumortherapie erforderlichen Emzymspiegel zu erreichen, hat sich immer noch die vom Patienten leicht zu erlernende Verabreichung als Verweilklysma am besten bewährt, obwohl es auch eine hochdosierte orale Tablettenform gibt. Wir müssen uns immer klar darüber sein, daß bei der Einnahme solcher Präparate ein großer Teil der Enzyme im Verdauungsvorgang verschwindet und nichts ins Blut gelangt. Möglichst hohe Dosierung ist also in jedem Fall erforderlich. Eine bemerkenswerte Eigenschaft des Wobe Mugos ist, daß wir damit metastatisch bedingte Rippenfellergüsse austrocknen können. Nach Abschluß der Pleurapunktion bleibt die Kanüle liegen und es werden je nach der Menge des Punktats 3 - 5 Ampullen des Präparates langsam intrathekal infundiert. Oft schon beim erstenmal, meist aber bei der ersten oder zweiten Wiederholung der Maßnahme kommt es zu keinem Rezidiv des Ergusses mehr. Man hat dem Patienten hinsichtlich Gesamtbefinden, Atmungsfreiheit und Pleuraschmerzen einen großen Dienst erwiesen, obwohl damit allein das primäre Krebsgeschehen natürlich nicht beeinflußt werden kann. Leider ist die Beeinflussung des abdominalen Aszites auf diese Weise nicht im gleichen Maß befriedigend. Wobe Mugos enthält die proteolytischen Enzyme der Papayafrucht, der Ananas, keimender Erbsen und Linsen, ferner animalische Enzyme aus Pankreas und Thymus. Die Wirkung dieses Gemisches ist fibrinolytisch, ferner selektiv auflösend auf nekrotisches Gewebe, auf degenerative Zellen und auf Viren, ohne jede schädigende Wirkung auf gesunde Zellen. Das etwas anders zusammengesetzte Wobenzym der gleichen Firma ist weniger bei malignen als bei entzündlichen Prozessen aller Art, auch solchen viraler Genese indiziert, besonders bewährt etwa bei den verschiedenen Arten von Herpes zoster oder labialis, ebenso bei der unspezifischen interstitiellen fibrösen Mastopathie. Die Herstellerfirma Mucos Pharma ist auf der Ausstellung im Erdgeschoß vertreten und steht mit Literatur oder Mustern gern zur Verfügung. Ähnlich konzipierte Enzympräparate, mit denen ich wenig oder keine eigene Erfahrung habe, sind in alphabetischer Reihenfolge folgende: Anavit, enthaltend Bromelin, Papain und Papayotin, sowie Bromelain mit hohem Anteil an Bromelin, beides Präparate der Firma Paesel; Carzodelan und Carzodelan forte in Ampullen der Firma Pharma Labor S.M Gaschler sowie Tryptoferm zum oralen Gebrauch der gleichen Firma Crasnitin der Firma Bayer in Ampullen, das sich sogar bei Lymphoblastenleukämie bewährt hat; Dichronase der Firma G-Nopharm zum oralen Gebrauch; Neoblastine der Firma Enzypharm in Ampullen. Dies ist eine reine Aufzählung ohne Bewertung und ohne Anspruch auf Vollzähligkeit. Der Preis der Präparate steht sicher nicht immer im genauen Verhältnis zur versprochenen Wirksamkeit. Man kommt auf dem Gebiet der onkologischen Enzymtherapie nicht ohne eigenes Forschen und eigene Erfahrung zum Erfolg. Mit der Wirkung in substituierender Absicht gegebener, enteral wirksamer Enzymatika haben die genannten proteolytisch-fibrinolytischen Präparate wenig gemeinsam. Dazu bestimmt, in den verschiedenen Magen-Darm-Abschnitten wirksam zu werden und sich nicht im Blut anzureichern, sind sie pharmakologisch anders konzipiert, in ihrer Löslichkeit von bestimmten pH-Bereichen abhängig usw. Um Verluste der für die Tumortherapie wichtigen Proteolytika und Fibrinolytika im Verdauungstrakt zu vermeiden, ist der parenteralen bzw. rektalen Gabe der Vorzug zu geben, sie sind bei oraler Zufuhr unvermeidlich, aber durch entsprechend hohe Dosierung kompensierbar. Die beabsichtigte karzinotrope Wirkung dieser Präparate wird herabgesetzt bis aufgehoben durch Enzyminhibitoren wie Antagosan, Aprotinin, Diamox, Kybernin, Trasylol u.a. Auch Cortison und seine Synonyma wirken konträr. |
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NEU: www.windstosser-museum.info
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