von Dr.med. Karl Konrad Windstosser
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III. |
Therapeutischer Teil |
Vortragsmanuskript, gelegentlich des 1. Informations-Seminars
über Krebsvorsorge und biologische Krebstherapie am 3.6.89 in Bad
Bergzabern; K. Windstosser)
Wärme bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch Leben, Kälte den Tod. Die Aufrechterhaltung und Regulation der Körperwärme ist für die Warmblüter von lebenswichtiger Bedeutung. In diesem Bereich spielen sich auch die Vorgänge der Entzündung und des Fiebers als Elemente höherer Ordnung zur Verhütung und Überwindung der meisten Krankheiten ab. Es ist verhängnisvoll, daß gerade diese beiden Faktoren natürlicher Gesundheitserhaltung von der kurzsichtigen, linear ausgerichteten orthodoxen Medizin immer noch verkannt und unterdrückt werden. Fehlendes Training dieser körpereigenen Immunmodulatoren, Ordnungs- und Integrationsprinzipien speziell in der Kindheit führt in späteren Altersstufen unweigerlich zu den uns Ärzten immer häufiger begegnenden chronisch-degenerativen und dann umso therapieresistenteren Leiden einschließlich der Malignome. Der Frankfurter Pädiater MOMMSEN hatte den Mut zu der Behauptung, "die heutige Kinderheilkunde bestehe im wesentlichen aus Therapieschäden“. Störungen des Wärmehaushaltes zählen zu den Signaturen der Krebskrankheiten als ganzheitliches Geschehen. Die Ärzte des Mittelalters bezeichneten in ihrer bewundernswerten Beobachtungsgabe den Krebs als "kalte und trockene Erkrankung". Analog dazu sprechen wir heute von Immunschwäche, Desintegration und Sklerosierung in allen Wesenheiten des krebskranken Menschen. Wiederherstellung der Wärmepotenz und der Wärmeregulation wirkt lokal und systemisch reparativ, schafft Ordnung und Ganzheit. Die experimentellen und therapeutischen Studien in dieser Richtung haben während der letzten Jahrzehnte einen unübersehbaren Umfang angenommen und es gibt kaum einen onkologischen Kongreß, auf dem nicht hierüber diskutiert wird, allerdings zumeist in einer zellularpathologisch eingeengten Betrachtungsweise und ohne die für die Krebsprophylaxe notwendigen Konsequenzen. Bereits die 1975 erschienene Monographie von DIETZEL (Erlangen), "Tumor und Temperatur" enthält eine Bibliographie von über 900 einschlägigen Titeln und Arbeiten. Es beschäftigen sich damit 3 große internationale Organisationen und es erscheint seit einigen Jahren die Zweimonatsschrift INTERNATIONAL JOURNAL OF HYPERTHERMIA. Erfreulicherweise wurde damit das krebstherapeutische Prinzip der Wärme neu erkannt und intensiviert, nachdem schon vor länger als einem Jahrhundert Ärzte und Forscher sich mit dem damit auslösbaren Effekt beschäftigt hatten. Der Bonner Professor für Chirurgie BUSCH war 1866 einer der ersten mit seiner Veröffentlichung "Über den Einfluß, welchen heftigere Erysipele zuweilen auf organisierte Neubildungen ausüben". Er hatte die völlige Rückbildung eines Sarkoms bei einem jungen Mädchen nach überstandenem Rotlauf beobachtet. In den USA zog der Chirurg COLEY um 1890 aus ähnlichen Erfahrungen erste therapeutische Konsequenzen. Er und nach seinem Tod seine Witwe COLEY-NAUTS nebst Mitarbeitern induzierten mittels Vaccinen aus abgeschwächten Erysipelerregern bei Krebspatienten Fieberstöße, die zu bemerkenswerten Wachstumsstillständen und Tumorrückbildungen führten. Es liegen Berichte über 896 in dieser Weise erfolgreich behandelter Fälle vor. Das COLEY-Toxin ist in den USA und in Japan noch heute in Gebrauch, wirkt aber nur im frisch hergestellten Zustand. Dem deutschen Chirurgen RITTER (Düsseldorf) gelangen in den zwanziger Jahren wesentliche Verbesserungen der Fünfjahres-Heilungsquote bei seinen Patientinnen nach Mammaamputation wegen Krebs, indem er sie gezielt mit Erysipel infizierte. Er wurde von seinen Kollegen deshalb prompt wegen Verstoßes gegen die Asepsis angegriffen, wie sich in dieser Zeit die orthodoxe Onkologie auch sonst gegen alle Versuche der Abwehrsteigerung mit biologischen Mitteln strikt ablehnend verhielt. Umso mutiger waren die Versuche von ZABEL (Berchtesgaden) in den fünfziger Jahren, Krebskranke durch Übertragung von Malariablut (M. tertiana) zu behandeln. Auf unerklärliche Weise kamen die hierüber geführten Protokolle mit den Verläufen und Ergebnissen abhanden, doch erfuhr ich von ZABEL persönlich während meiner späteren Tätigkeit an dessen Klinik, daß er bei den 19 in dieser Weise behandelten Tumorpatienten die Malaria nach mindestens 3 Fieberanfällen mittels der üblichen Therapie zur Ausheilung gebracht habe und daß es bei mehreren der Kranken zu Stillständen und Rückbildungen der Geschwulsterkrankung sowie zu langanhaltender Schmerzfreiheit gekommen sei. Die Methode mußte jedoch nach einigen Jahren ihrer technischen Schwierigkeiten und der damit immerhin verbundenen Gefahren wegen wieder aufgegeben werden. Neuerdings hat sich GÖHRING (Bad Rappenau) im Rahmen anderweitiger Immuntherapie mit der induzierten Fiebertherapie bei Krebs befaßt und gemeinsam mit KRAUSE über gute Erfahrungen berichtet, konnte sein Vorgehen infolge Schließung seiner Klinik aber gleichfalls nicht mehr fortsetzen. Die besten Erfolge erzielte er beim Mamma- und Kolon-Ca, gefolgt vom Pankreas- und Harnblasen-Ca, bedingt auch bei Lebermetastasen. Außer der erwähnten Beobachtung von BUSCH und seinen Vorgängern wurde in der medizinischen Literatur immer wieder über Spontanheilungen von Geschwulsterkrankungen nach überstandenen hochfieberhaften Krankheiten wie Erysipel, Malaria oder Pneumonie berichtet. 1956 haben EVERSON und COLE 600 derartige Fälle, 1958 hat SELAWRY 450 Fälle zusammengestellt, wobei es sich stets um klinisch zweifelsfrei diagnostizierte Malignome handelte. Diese Ereignisse sollten für uns Anlaß sein, nicht jedem Fieberanstieg eines Krebspatienten antibiotisch oder antipyretisch in die Arme zu fallen. Ein guter Arzt wird wissen, was er dem Kranken zumuten darf. Aber selbst wenn sich ein Erysipel entwickeln sollte, das in den meisten Fällen ohne Immunsuppression, etwa mit Hydrotherapie und Homöopathie gefahrlos beherrschbar ist, könnte dies eine nicht wiederkehrende Chance der Krebsheilung darstellen. Ich habe selbst einmal einen solchen, für alle Beteiligten unvergesslichen Verlauf erlebt. Bald hat man auch gelernt, daß zwischen dem Vorgang des spontanen oder künstlich erzeugten Fiebers, der eigentlichen Hyperpyrese, wie man sie nennt, und der Steigerung der Körpertemperatur durch rein äußerliches Aufheizen, also durch Wärmestau oder Hyperthermie, ein ganz wesentlicher Unterschied besteht. Während die aktive Hyperpyrese immer mit einem mehr oder weniger starken Anstieg der körpereigenen Abwehrleistungen, also zellulären und humoralen Immun- und Wiederherstellungsvorgänge verbunden ist, löst die vom Organismus lediglich passiv ertragene Hyperthermie diese positiven Reaktionen in weit geringerem Maß und von kürzerer Dauer aus. Sie ist ein technisch schwierigeres Verfahren, sowohl was die Ganzkörperhyperthermie als auch die regionale Körperteil- oder Organhyperthermie betrifft, und sie ist eine schmale Gratwanderung zwischen Immunstimulation und Immundepression. Ihre Ergebnisse und Risiken werden verbessert bzw. gemildert, wenn sie mit anderen biologischen Hilfen oder aber mit der aktiven Fiebererzeugung, der Hyperpyrese, in einer der individuellen Konstitution angepaßten Weise kombiniert wird, worüber noch zu sprechen ist. Immerhin hat auch die Hyperthermie in ihrer vereinfachten, weniger aggressiven Form als ansteigendes und protrahiertes Teil- oder Vollbad ihre Heilerfolge bei manchen chronischen, vor allem rheumatisch-arthritischen Leiden aufzuweisen. Als SCHLENZ-Bad ist diese Form der Hydrotherapie mit dem Namen einer einfachen Frau verbunden, die in den zwanziger- und dreißiger Jahren in der Nähe von Innsbruck praktizierte und wahre Wunder damit vollbrachte. Von ihr übernommen hat dieses Verfahren ZABEL, der es in seiner Klinik technisch ausfeilte, hinsichtlich seiner physiologischen und immunologischen Wirkung untersuchte und individuell nach dem Reaktionstyp der Patienten dosierte. Durch intravenös gespritztes Echinacin vor Beginn des Bades kam dabei auch die hyperpyretische Komponente zum Einsatz. Ebenfalls mit dem Überwärmungsbad nach eigener Modifikation hat sich LAMPERT intensiv beschäftigt, der es nicht nur während des Krieges in Fleckfieberlazaretten mit bestem Erfolg anwandte (die Mortalität ließ sich damit von 40 - 50% der Befallenen auf 10-20% senken, sofern die Bäder rechtzeitig zur Anwendung kamen), sondern in der Weser-Bergland-Klinik (Höxter) als erster regionale Hyperthermie unter Abbindung der Blutzirkulation an tumorbefallenen Extremitäten und am Penis bei medikamentös sedierten Patienten durchführte. LAMPERT publizierte eine Reihe mit solcher Monotherapie (also ohne Zuhilfenahme anderer Heilfaktoren) erzielter Dauerheilungen. Während der letzten Jahrzehnte hat sich auch die orthodoxe Klinik mit der Hyperthermie befaßt, es laufen derartige Studien in Essen, Erlangen und München, meist in Kombination mit Chemotherapie und unter Ganzkörperaufheizung im Mikrowellenfeld bis über 42 º über mehrere Stunden in Narkose. Eine andere Form der lokalen Hyperthermie ist die Perfusion tumorbefallener Extremitäten oder der Metastasenleber mit extrakorporal überwärmtem Blut, wobei ebenfalls Chemotherapeutika in der Absicht fokaler Aggression mit infundiert werden. ZÄNKER und LANGE vom Institut für experimentelle Chirurgie der Technischen Universität München haben hierüber wiederholt berichtet. Der Mann, der sich wohl am längsten und intensivsten mit den physikalischen und biologischen Vorgängen der Hyperthermie und Hyperpyrese beschäftigt hat, ist MANFRED VON ARDENNE. In dem von ihm geleiteten Institut in Dresden arbeitet er seit über 20 Jahren unermüdlich an der Verbesserung seines therapeutischen Konzeptes, das aus teils simultan, teils sequentiell zum Einsatz kommenden Maßnahmen besteht und unter der Bezeichnung KREBS-MEHRSCHRITT-THERAPIE bekannt wurde. Aktivierung der körpereigenen Abwehr- und Repairfunktion gehen dabei Hand in Hand mit der Aggression gegen die Tumorzellen. Die Stichworte sind: Hyperoxie, Hyperazidose, Hyperthermie, Hyperpyrese. Der Patient erhält täglich eine seinem Sauerstoff-Partialdruck entsprechende O2- Inhalation. Er bekommt am Tage X mehrere Stunden lang 40%ige Glukose infundiert, die nicht nur seinen Blutzucker auf das Vier- bis Fünffache der Norm ansteigen läßt, sondern auf diesem Höhepunkt ein offenbar vom zentralen Nervensystem ausgehendes Fieber bis über 38 º auslöst. Durch das hohe Zuckerangebot geraten die Krebszellen gewissermaßen aus dem Häuschen, kommen in einen Zustand maximaler Ansäuerung und beschleunigter Zellteilung. Damit ist ein für die Therapie günstiger Umstand verbunden, denn es befindet sich in diesem Fall die Mehrzahl der Zellen in einem Stadium der Teilung, in dem sie für jede Schädigung von innen und außen her besonders empfindlich sind. Der nächste Schritt besteht darin, daß der Patient im Infrarot-Lichtbad auf eine Kerntemperatur von 39-40 º aufgewärmt wird. Sodann kommt er sofort unter einen Mikrowellen-Applikator. Dies ist der technisch aufwendigste und bewundernswerteste Teil des Verfahrens. Die mit Dezimeterwellen zu durchflutende Körperregion wurde einschließlich der in ihr enthaltenen Tumor- oder Lymphknoten schon vor der Therapie trigonometrisch genau vermessen und der Befund elektronisch gespeichert. Über dem liegenden Patienten fährt sodann der computergesteuerte Arm des Applikators je nach dem eingegebenen Programm langsamer oder schneller pendelnd das Relief des zu durchflutenden Bereiches ab. Dabei wird mit höchster Präzision der gewünschte Hautabstand des Wellengebers, die errechnete Fläche, die erforderliche Tiefenwirkung und Bestrahlungsdauer eingehalten. In Verbindung mit den vorausgehenden hyperthermischen und hyperpyretischen Maßnahmen werden dabei Kerntemperaturen des Krebsgewebes zwischen 42 und 43 º erreicht, sowohl kritisch als auch selektiv genug, um Krebszellen zu inaktivieren, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Soweit sie nicht irreparabel geschädigt werden, reduziert sich ihre anaerobe Glykolyse, verliert sich ihre Malignität und erhöht sich ihre Anfälligkeit gegenüber den körpereigenen Abwehrkräften. Von Fall zu Fal1 wird die KMT noch mit reduzierten, subtoxischen Strahlen- und/oder Chemotherapie-Dosen kombiniert. Das KMT-Verfahren kommt routinemäßig an einer Reihe größerer Kliniken in den Ostblockländern zur Anwendung, so in Berlin-Ost, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Jena, Halle, Budapest, Kiew. Ich hatte Gelegenheit, 1987 während eines internationalen Hyperthermiekongresses in Dresden die Berichte der Referenten dieser Institute zu hören, durchwegs Ergebnisse und Erfahrungen an großen randomisierten Gruppen und Vergleichsgruppen unter Zugrundelegung langjähriger Beobachtungszeiten, wobei die KMT z.T. allein, z.T. mit adjuvanter Radiologie oder Chemotherapie kombiniert eingesetzt wurde. Dabei ergaben sich fast ausnahmslos günstige Verläufe, bis um 33% vermehrte, wenngleich nicht immer dauerhafte, so doch monatelange Wachstumsstillstände und Schmerzlinderungen, bis zu 27% häufigere temporäre oder langzeitige Remissionen oder Teilremissionen, immer im Vergleich mit den Ergebnissen bei konventionell und ohne KMT behandelten Tumorpatienten. Bei Gebärmutterhalskarzinom konnte die Fünfjahres-Heilungsquote von 72 auf 92% gesteigert werden, die Metastasierungsrate ließ sich von 30 auf 16% senken. Während meiner jahrelangen Tätigkeit an den Kliniken von ZABEL und ISSELS habe ich auch dort in vielen Fällen die adjuvante Wirkung sachkundig und individuell durchgeführter Überwärmung bei Krebskranken erlebt, wobei ich auch den Unterschied zwischen der von ZABEL bevorzugten Hyperthermie als Vollbad und der von ISSELS meist benützten Hyperpyrese mittels intravenöser Gabe von Vaccineurin beobachten konnte. Ich kam zu der Überzeugung, daß eine Kombination beider Verfahren in Art einer vereinfachten KMT unbedingt und zumindest zeitweilig Bestandteil der ganzheitsmedizinischen Behandlung Krebskranker und Krebsgefährdeter sein müßte. Das der ZABELschen Tradition verpflichtete WERNER ZABEL-INSTITUT in Bad Salzuflen hat zwischen 1968 und 1984 etwa 4000 Malignompatienten aller Altersstufen und Geschwulstarten behandelt und langzeitig betreut. Davon waren etwa 10%, also rund 400 Patientinnen und Patienten bereit und geeignet, sich einer mehrmaligen, den Bedingungen einer ambulanten Praxis angepaßten, kombinierten Hyperpyrese und Hyperthermie zu unterziehen. Voraussetzung bei den dazu auserwählten Patienten war, daß sie innerhalb einer viertel- bis halben Stunde im Wagen nach Hause gebracht werden konnten, daß verständnisvolle Angehörige zur Verfügung standen, daß schon längere Zeit Ganzheitstherapie durchgeführt worden war und vor allem: Daß keine Beherdung oder Sonstige Blockade des Mesenchyms oder Reaktionsfähigkeit vorlag. Darauf möchte ich besonders nachdrücklich hinweisen, weil andernfalls jede Überwärmung nur schadet und immunsuppressiv wirkt. Die Laborwerte, die Immunparameter, das Decoder-Dermogramm oder die Thermoregulations-Diagnostik, die BFD-, EAV- oder Vega-Meßmethode geben darauf die nötigen Hinweise und ich halte es für unerlässlich, sich wenigstens des einen oder anderen Gerätes zu bedienen, vorliegende Blockaden sei es durch Sanierung, Neuraltherapie, Nosoden, Sauerstoff und Ozon oder wie im einzelnen Fall immer erforderlich zu beseitigen. Auf die Glukoseinfusion muß unter vereinfachten Verhältnissen ohnehin verzichtet werden, weil sie eine 24-stündige Überwachung mit laufenden Blutzuckerkontrollen erforderlich macht. Auf Herz- oder Kreislaufschwäche muß geachtet werden, unsere Patienten bekamen aber ohnehin aus Gründen der Sauerstoffversorgung jeden Morgen Strodival und Persantin. Trotz der anstrengenden Prozedur habe ich keinen einzigen ernsthaften Kollaps erlebt. Unser Vorgehen, das während des Behandlungszeitraumes von 15 Jahren ziemlich unverändert beibehalten wurde, gestaltet sich folgendermaßen: Der Patient wird um die Mittagszeit bestellt. Er sollte nicht allzu viel gegessen haben, aber auch nicht ganz nüchtern sein. Eine größere Portion Müesli, auf den Morgen und Vormittag verteilt, und reichlich Flüssigkeit haben sich bewährt. Als fiebererzeugendes Antigen wurde vorzugsweise das gleiche Mistelpräparat verwendet, mit dem der Patient schon vorher mindestens 4- bis 6-mal behandelt worden war. Diese Voraussetzung ist wichtig, weil wir es immerhin mit einem Fremdstoff (Antigen) zu tun haben, dessen Wirkung nicht mit letzter Sicherheit voraussehbar ist. War dieser aber bereits einige male subkutan ohne ungewöhnliche Lokal- oder Allgemeinreaktion vertragen worden, darf angenommen werden, daß damit bei vorsichtiger Dosierung intravenös kein allergischer Schock ausgelöst wird. Im allgemeinen kann beim erstenmal die 5 10-fache Menge der zuletzt s.c. gespritzten Dosis des betreffenden Mistelpräparates genommen werden. Bei Iscador wäre dies etwa eine Ampulle 2%, mit der noch nicht viel passieren kann, bei Helixor etwa 2 - 3 mg. Bei zu geringer Reaktion wird die Dosierung am nächsten oder übernächsten Tag verdoppelt, dann erforderlichenfalls verdreifacht, bei Iscador also auf 3%, schließlich auf 5% übergegangen. Ich habe dieses Antigen früher in 250 ml Fruchtzucker oder Kochsalzlösung verdünnt langsam infundiert, wie es heute noch in der Lukasklinik (Arlesheim) und von WOLF (Hannover) mit Vysorel gemacht wird. Meiner Erfahrung nach ist diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig. Die auf Mistelpräparate ungenügend oder gar nicht ansprechenden Patienten benötigen ein anderes Antigen, etwa Echinacin, Euflamin, Plenosol oder Vaccineurin, die dann auch individuell dosiert und vorsichtig gesteigert intravenös zu geben sind. Nun aber kommt der wichtigste Teil der Fiebertherapie: Der Patient muß nach der Injektion auf schnellstem Weg nach Hause gebracht werden, darf aber dabei unter keinen Umständen selbst den Wagen lenken. Oft dauert es nur 20 - 30 Minuten, bei geringer Dosierung 1 Stunde und länger, bis der Schüttelfrost einsetzt. Innerhalb dieser Zeit muß der Patient zuhause angekommen sein. Dort wartet die Badewanne mit mindestens 38 - 39 º warmen Wasser auf ihn. In dem langsam ansteigend temperierten Wasser wird der nun voll entwickelte Schüttelfrost abgewartet und erfahrungsgemäß umso besser ertragen. Es kommt dadurch zu einer zusätzlichen Wärmestauung, der Hyperthermie, die man dann umso mehr intensivieren und verlängern kann, je schwächer die Reaktion auf die Hyperpyrese ausfällt. Die Angehörigen sind über den gesamten Verlauf der Anwendung eingehend informiert und geraten dadurch nicht in Panik. Puls, Wasser- und Körpertemperatur (sublingual) werden alle 5 Minuten gemessen und notiert. Die Zahlen sollten eine etwa parallel verlaufende Kurve ergeben. Gelegentlich kommt es auf der Höhe des Schüttelfrostes zu Erbrechen, besonders bei Verwendung von Vaccineurin. Dies ist ein zusätzlicher, nützlicher, konstitutionstherapeutischer Effekt, worauf man den Patienten und seine Angehörigen hinweisen muß. Während des Bades darf der Patient natürlich nie allein gelassen werden, bei den ersten Bädern muß trotz des damit verbundenen Zeitaufwandes der Arzt anwesend sein. Nach mehreren unkomplizierten Verläufen genügt später eine telefonische Überwachung aus der Praxis. Ernstere Zwischenfälle habe ich unter der Voraussetzung entsprechender Auswahl der Patienten und kooperativen Verhaltens der Angehörigen nie erlebt. Über die eigentlichen Kontraindikationen habe ich schon gesprochen und möchte hier nur nochmal auf den Gefahrenkomplex der Reaktionsstarre infolge eines evtl. vorliegenden Herdgeschehens hinweisen. Warme, honiggesüßte Getränke stillen während des Überwärmungsbades den Durst und stützen den Kreislauf, denn als Folge des Wärmestaus scheidet manche Patienten während der nächsten Stunden große Mengen Schweiß aus. Nach einer halben bis ganzen Stunde verläßt der Patient mit Unterstützung das Bad und begibt sich unverzüglich in das mit einem Badetuch ausgelegte Bett. In größeren Abständen wird noch Temperatur und Puls gemessen, aber im allgemeinen erholt sich der Patient von der Anwendung rasch, hat oft nur Durst, aber wenig Appetit auf das Abendessen und schläft in der folgenden Nacht meist tief und erquickend. Am anderen Morgen ist er manchmal noch etwas müde, aber bei guter Stimmung. Er darf das Bewußtsein haben, einen wichtigen Schritt auf der Stufenleiter zur Überwindung seines Geschwulstleidens getan zu haben. Einer Wiederholung der komplexen Wärmetherapie in angemessenen Abständen, evtl. sogar wöchentlich einmal, steht nichts im Wege. Die Anwendung der kombinierten Hyperpyrese und Hyperthermie in der ambulanten und klinischen Onkologie setzt beim Behandler und beim Patienten einen gewissen Heroismus voraus. Wer aber einmal damit begonnen hat, beobachtet und verspürt die damit verbundene Heilwirkung und Schmerzlinderung immer wieder, selbst in fortgeschrittenen Stadien der Geschwulsterkrankung. Die aktive und passive Überwärmung zählt zu den wirksamsten biologischen Aktivatoren der Immunität und Wiederherstellung. Sie sollte in der ambulanten und stationären Krebstherapie viel häufiger als bisher Verwendung kommen. |
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NEU: www.windstosser-museum.info
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