von Dr.med. Karl Konrad Windstosser
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III. |
Therapeutischer Teil |
"Die Botschaft der Krebserkrankung
heißt: Finde den Teil Deiner Selbst, der in Dir wuchert, weil er nicht
leben darf. Was scheint schon gestorben oder siecht dahin? Was habe ich aufgegeben und wo mich vom Leben zurückgezogen? Was hat meinen Lebenswillen, meine Freude, meine Begeisterung, meine Kreativität, meine Flexibilität, meine Sexualität erstickt? Was versteckt sich hinter der Fassade von Anpassung, Freundlichkeit und aufopfernder Pflichterfüllung? In einer Atmosphäre von Wärme und Geborgenheit ist es möglich, die nicht gelebten Anteile unseres Wesens zu entdecken und ans Licht zu führen. Indem wir erkennen, daß wir weder der Krankheit noch unseren Verhaltensmustern ausgeliefert sind, können wir uns aus der Opferrolle lösen und zurück ins Leben finden. Es gilt, wirklich neue Wege zu gehen!" Dr.med.Renate Dicht-Kersten, Ärztin und Psychotherapeutin Der Schweizer MEERWEIN prägte den Begriff der Psycho-Onkologie als neue Forschungs- und Behandlungsrichtung. Er legte 1982 erstmals Leitlinien für Ärzte und Pflegepersonal fest, die dazu beitragen sollten, Ängste vor Krankheit, Therapie oder Tod vom Patienten fernzuhalten und eine Atmosphäre des Vertrauens zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten, an der es sowohl in der betriebsamen, aber "sterilen" Klinik als auch in der kassenärztlichen Massenabfertigung leider so sehr mangelt. Der Krebskranke möchte und muß sich nicht nur mit seinen Angehörigen, sondern vor allem mit seinem Behandler freundschaftlich und offen aussprechen können, er muß sich verstanden, geführt und betreut fühlen, auch in Augenblicken schlechteren Befindens oder stockender Besserung. Da wird der gute Arzt nicht kneifen und sich in Schweigen hüllen. Ja, es gibt Ärzte, die dem Patienten einen Behandlungs-Mißerfolg gewissermaßen "persönlich übelnehmen". Leib-seelische Zusammenhänge und Auswirkungen sind nicht nur im Verlauf der Krebserkrankung von weittragender diagnostischer und therapeutischer Bedeutung. Offenbar liegen in diesen der exakten Wissenschaft so schwer zugänglichen Bereichen schon die tiefsten und geheimsten Wurzeln ihrer Entstehung. Die Geschichte der Onkologie weist viele Namen von Forschern und Ärzten auf, die sich dem Studium der metaphysischen Seite des Problems gewidmet haben. Angeblich war schon GALEN der Meinung, daß melancholische Frauen häufiger an Brustkrebs erkranken als fröhliche. Im 19. Jahrhundert waren es SNON (1831), nach ihm ELI, GRODDEK, JELIFFE, SMITH und andere halbvergessene Therapeuten, die seelischen Affekten, Alterationen oder Depressionen eine mehr oder weniger große Bedeutung für die Entstehung und den Verlauf des Krebsleidens beigemessen haben. 1885 schrieb der Chirurg PARKER: "Es ist Tatsache, daß Kummer häufig mit Krebs verbunden ist". Nach VIRCHOW beschäftigte man sich über- haupt wieder mehr mit der Seele des Kranken, die der „Medizinpapst“ bei seinen vielen Sektionen "nicht gefunden" hatte. Eine echte Heilung, bei welcher Krankheit und durch welche Therapie sie auch immer angestrebt wird, läßt sich nur erzielen, wenn es gelingt, das Wesen des Patienten so zu ändern, daß seine gestörte Bipolarität wiederhergestellt wird, seine innere Kybernetik wieder elastisch und adäquat reagiert. Diese Funktionen hängen eng mit den Aufgaben des Bindegewebes zusammen. Meßbaren Kriterium dieser Vorgänge ist z.B. das Vegetativum, das konstitutionsbedingt in einem definierbaren Normbereich der Sympathikotonie und Vagotonie pendelt. Wir kennen heute das Syndrom der Reaktionsatarre in beiden Extremen. Hier liegen die Bereiche des physischen und psychischen "Krebsmilieus" als Folge einer Summation unbewältigter Schadensfaktoren. Daß Kummer und Angst das Blut alkalisieren und damit die Krebsbereitschaft steigern, Freude und Zufriedenheit es dagegen ansäuern (das alte Sprichwort!), ist eine experimentell meßbare Tatsache. Sogar im Tierversuch gibt es dafür Beweise. Läßt man einer Gruppe tumortragender Ratten gelegentlich der täglichen Fütterung eine gewisse individuelle Zuwendung mit Herausnahme aus dem Käfig, Streicheln, Ansprache usw.- angedeihen, während man eine andere Gruppe lediglich sachlich versorgt und keiner weiteren Beachtung würdigt, so ist die abschließend festetellbare mittlere Lebensdauer der „verwöhnten" Tiere bedeutend länger als die der "vernachlässigten". Wir erinnern uns der Streß-Forschung von SELYE (1907 - 1982) [14], die den Verlauf und die Bedeutung der reaktiven Adaptation an alle den Organismus treffenden Reize verständlich gemacht hat. Die uns umgebenden biologischen Reize und ihre Beantwortung durch das Sinnen-, Nerven- und Stoffwechselsystem halten uns am Leben. Der Gesunde ist jeden Augenblick bereit und fähig zur Aufnahme und Verarbeitung selbst stärkster Reize. Chronische Reiz-Überflutung und Reizmonotonie jedoch können sich gesundheitlich ebenso schädlich auswirken wie Reizmangel. So führt beispielsweise eine durch Überforderung ausgelöste Adrenalin-Aus- schüttung der Nebenniere bei Permanenz zu deren Erschöpfung. Der reaktive und positive, spontan oder therapeutisch relativ leicht regulierbare Sympathikotonus verwandelt sich in die weit verhängnisvollere und therapiereaistentere Vagotonie. In ähnlicher Weise beantwortet die Bauchspeicheldrüse jahrelange Überlastung durch isolierte Kohlenhydrate (Zucker und Reinmehlprodukte, siehe 16.0) schließlich mit Drüseninauffizienz, Degeneration, Enzym- und Insulinmangel. Ähnliches ist von der Leber und den Nieren zu berichten (Eiweiß- bzw. Natrium-Überlastung). Auch hierzu gibt es Parallelen im Tierversuch: Ratten oder Mäuse mit künstlichen Malignomen, die ständig beunruhigt oder verängstigt werden, etwa durch eine Katze im Nachbarkäfig, erleiden nachweisbare Schäden ihres Abwehr- und Regenerationavermögens. Sie schneiden als Tumorträger hinsichtlich Krankheitsverlauf und Mortalität schlechter ab als die in Ruhe lebenden Vergleichstiere. Die Vielfalt der Individualitäten der Kranken einerseites, der Therapeuten andererseits schließt im Bereich der onkologischen Psychologie allgemeingültige Regeln noch stringenter aus als bei den somatischen Behandlungsweisen. Schematismus ist hier so unmöglich wie in der Kunst und Musik. Wer Krebskranke psychologisch behandeln will, muß die sowohl für ihn als auch für den Patienten geeignete "Tonart" und Ansprechweise finden. Darin liegt ein Teil dem charismatischen Heilungsvorganges. Der heutige Ausbildungsweg ist nicht geeignet, die dazu erforderliche Fähigkeit im jungen Mediziner zu wecken. Es haben sich nicht wenige, aus den letzten Ärztegenerationen herausragende Persönlichkeiten mit der metaphysischen Seite des Krebsprobleme befaßt und adjuvante Möglichkeiten der psychosomatischen Behandlung aufgezeigt. Die wichtigsten derselben und ihre Auffassungen sollen hier vorgestellt werden. Lawrence LZ-SHAN berichtete 1959 über die Ergebnisse seiner jahrelangen Untersuchungen. Er fand, daß Karzinome besonders häufig bei Menschen auftreten, die eine für sie lebenswichtige Beziehung verloren haben und dadurch in eine Grundstimmung trostloser, schmerzlicher Isolierung, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geraten sind. Bei 300 Krebskranken bestanden in über 60% solche deprimierenden Erlebnisformen und nur in 10% der tumorfreien Kontrollgruppe. Außerdem erinnerte sich dieser Patientenkreis überdurchschnittlich häufig an bereits in der Kindheit eingetretene Erlebnisse, die mit intensivem Gefühl der Trauer, Isolation oder Verlassenheit verbunden waren. Einer der ersten verdienstvollen Forscher auf diesem Gebiet war WILHELM REICH, mit dessen Erkenntnissen sich die heutige Medizin viel zu wenig beschäftigt. (Redaktionelle Anmerkung: Der Wichtigkeit halber habe ich Windstosser’s Darlegungen des Werkes von Wilhelm Reich und seiner Person als gesondertes „Kapitel 10.4 Wilhelm Reich“ zusammengefaßt). Der Däne BAHNSON sprach 1979 im Rahmen des Heidelberger Projektes "Krebsnachsorge - Herausforderung, und Aufgabe einer sozialen-Medizin“ über das von ihm initiierte, an über 3000 Krebspatientinnen des Jefferson Medical College (Philadelphia) durchgeführte psychosomatische Therapie-Modell. Dabei bestätigte sich wieder, daß individuelle Erlebnisfaktoren am Entstehen und am Fortbestand eines Geschwulstleidens in weit höherem Maß beteiligt sind als man bisher annahm. BAHNSON strebt eine verstärkte Einbeziehung, Einbindung, Integration der leib-seelischen Situation des Patienten in den Therapieverlauf an, und zwar nicht erst als "Nachsorge", sondern bereits ab der ersten Stunde, in der die strategischen Weichen für das klinische Vorgeben gestellt werden, also in den onkologischen Zentren. Meinungsverschiedenheiten zwischen der von Frau SCHEEL geleiteten DEUTSCHEN KREBSHILFE und der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg sowie anderweitige Querelen standen der Realisierung dieses Programmes auf breiter Basis damals im Weg. Nach BAHNSON setzt ein solches therapeutisches Modell einen hohen Informationsstand aller daran aktiv beteiligten Personen voraus, denn es müssen alle somatischen, psychologischen, sozialen und rehabilitativen Maßnahmen ausnahmslos parallel laufen. Jedes einseitig "technisch" oder "organisatorisch" bleibende Vorgehen ohne Einbeziehung des Patienten hält BAHNSON für ungenügend. Das Gelingen einer Renission und Rehabilitation hat seiner Meinung nach stets zur Voraussetzung die "Wiederanpassung“ des Patienten an sein "Körper-Ich" (vgl.ähnliche Gedankengänge der anthroposophischen Schule (siehe 23.0.). Selbst bei Unheilbaren oder Sterbenden geht es dieser Auffassung, nach neben dem Symptom Schmerz um "Kommunikationsprobleme“ (siehe 10.3.). BAHNSON nennt folgende (auch dem Heidelberger Modell zugrundegelegte) Hauptziele seines psychosozialen Therapieprorammes: Abbau von Angst, Depression oder Schuldgefühl beim Kranken. Im Fall der wahrscheinlichen Heilbarkeit möglichst frühe Wiederanpassung an die Familie, Schule, Arbeit und andere wichtige Aufgaben sowie die dazu erforderliche Hilfe.
BAHNSON unterscheidet zwischen der "individuell unterstützenden Psychotherapie'' und der „Familientherapie“. In Philadelphia wird, sobald der Patient in der Klinik liegt, eine erste Konferenz abgehalten, bei der alle Karten auf den Tisch gelegt, alle vorhandenen Daten ausgewertet und die "Intensivstrategie“ festgelegt werden. Gleichzeitig wird ein "Familieninterview" arrangiert. Dazu kommen der Patient, seine Familie und der Therapeut in regelmäßigen Abständen zu zwanglosen Aussprachen zusammen. Dies wird auch nach der Entlassung aus der Klinik und während der evtl. anschließenden ambulanten Behandlung so beibehalten. Dabei werden die ursprünglich gesetzten Ziele und Verhaltensweisen nötigenfalls modifiziert und die "Interventionsbestrebungen" der jeweiligen Situation angepaßt. Zu den in den USA bekannteren Forschern auf psycho-onkologischem Gebiet zählt auch GREENE [32]. Er wies an größeren Patientenreihen einmal mehr nach, daß depressive Menschen häufiger an Krebs erkranken als ausgeglichene und daß der manifesten Phase des Tumorleidens meist eine depressive Verstimmung vorausging, häufig ausgelöst durch den Verlust einer wichtigen Bezugsperson. Insofern decken sich diese Feststellungen und die von ihm empfohlene Hilfe zur Überwindung solcher Erlebnisse mit dem Vorgehen der bisher beschriebenen Psychologen und Psycho-Onkologen. Der Psychosomatiker GROSSARTH-MATICEK trat 1979 mit der Auffassung an die Öffentlichkeit, daß sich unbewältigte Aggressionen gegen die eigene Person richten und auf dem Umweg über das Vegetativum ein genetisches Chaos auslösen können. Mit dieser Theorie sei die Entstehung vieler Krankheiten, nicht nur des Krebses, zu erklären. Als Ausgangspunkt dieser inversiven Kräfte deckte GROSSARTH-MATTICEK häufig tiefe und früh entstandene Schwierigkeiten im Seelischen auf, etwa Resignation und Hoffnungslosigkeit, Depressionen und Ängste, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, unverarbeitete Haßgefühle, verdrängte Emotionen, Anpassungsschwierigkeiten usw. Die darauf aufbauenden Studien des Heidelberger Forschers befaßten sich mit der potentiell karzinogenen Auswirkung eines Synergismus zwischen der individuellen Verhaltensweise und bestimmten ungünstigen organischen Faktoren und Folgen fehlerhafter Lebensweise (Umwelteinflüsse, Ernährungsschäden, Alkohol, Rauchen, genetische Disposition usw.). Mit anderen Worten: Die exogenen und endogenen Risiken führen signifikant häufiger zur Krebsentstehung, wenn gleichzeitig abträgliche psychische Faktoren vorliegen. Im individuellen Verhaltensmuster äußert sich auch die funktionelle Integration von Erregung und Hemmung. Wenn das zentrale Nervensytem optimal funktioniert, ist es in der Lage, kurzzeitige starke Übererregungen oder Hemmungen durch entgegengesetzte Prozesse zu kompensieren (vgl. SELYE "Streß und Gegenstreß“). Nach den Untersuchungen von GROSSARTH-MATICEK gibt es Menschen, die überwiegend im Zustand der Übererregung leben, bei denen also die Hemmungskräfte nicht ausreichen, um den Ausgleich und damit das Wohlbefinden wiederherzustellen. Genau das Gegenteil repräsentieren die Menschen mit ständiger Hemmung und dem in diesem Fall fehlenden Aktivitätsimpuls. Aus den Schattierungen und Überschneidungen dieser Verhaltensweisen wurde in der Folge die sechsfach gegliederte "Grossarth’sche Typologie“ entwickelt. Durch einen Fragebogen läßt sich die Einordnung jedes Menschen in dieses Schema ermitteln, die dann prospektiv Schlüsse auf die Gefährdung durch Krebs, Herzinfarkt und andere Krankheiten erlaubt. Der deutsche Arzt RYKE GEERD HAMER [28, 35, 36, 37, 97] ist Schöpfer und kämpferischer Verteidiger einer ebenso originellen wie kühnen und revolutionären Auffassung rein metaphysischer Entstehung und Heilung nicht nur der Geschwulsterkrankungen sondern aller Krankheiten. Er geht damit weiter als alle Vertreter ähnlicher Hypothesen und Lehren vor ihm. Nach HAMERs Überzeugung werden alle Krankheiten einschließlich Krebs durch ein psychisches Trauma in Form eines schweren dramatischen Schock- oder Konflikterlebnisses ausgelöst. (Redaktionelle Anmerkung: Wie schon das Kapitel über Wilhelm Reich habe ich die Windstosser’s Auführungen über Hamer als gesondertes „Kapitel 10.4 Ryke Geerd Hamer“ zusammengefaßt). Das Krebsleiden hat in den meisten Fällen eine Verlaufsdauer von Jahren, oft von vielen Jahren. Die Phasen der klinischen Behandlungen und Kontrolluntersuchungen spielen während dieser Zeit, nur die Rolle von Episoden. Langzeitig gesehen ist der Hausarzt oder Facharzt der eigentliche Betreuer, oft bis zum letzten Atemzug. Er muß in der therapeutischen Gemeinschaft Patient – Arzt - Familie durch alle Phasen des Leidens die wichtigste Vertrauens- und Bezugsperson bleiben. Die in den Mammutkliniken und Tumorzentren herrschende Atmosphäre und zwangsläufige Betriebsamkeit bieten dafür nicht die geeigneten Voraussetzungen. Es gibt da eine Aufgabe, die nur dem berufenen Helfer zukommt, ohne ihn zum Diktator werden zu lassen: Er darf zur rechten Zeit sagen "Du mußt Dein Leben ändern!". In Jedem Menschen schlummert tief verborgen eine Sehnsucht nach Reinheit und Vollkommenheit, die geweckt werden will mit dem Wörtchen "Du mußt!". Jede Krankheit ist ein solcher Aufruf, ein Wendepunkt zu einem neuen Lebensweg. Ein begabter Arzt hat die Pflicht - und die Fähigkeit, den Kranken an den Sinn seiner Krankheit heranzuführen, ihm diesen Imperativ begreiflich zu machen. Insofern ist diesem auch die Wahl der Behandlungsmethode freigestellt. Mit dem imperativen Zwang zu Stahl und Strahl allein wird dem Patienten der Sinn seiner Erkrankung nicht erschlossen. Ebensowenig gelingt dies mit falsch verstandener, autoritätsfreier Psychologie, die den Standpunkt vertritt, daß kein Kranker etwas "müsse". Mag dies bei banalen Gesundheitsstörungen noch angehen, der Krebskranke ist bis zum Manifestwerden seines Tumors lange genug unwissend gewesen und in die Irre gegangen. Er braucht - und erwartet - bestimmende Führung. Eine anderweitige ärztliche Haltung ist Ausdruck mangelnden Selbstvertrauens, innerer Unsicherheit oder ganz einfach Unkenntnis des eigentlichen Krebsproblems. Der Auftrag "Du mußt!" in Bezug auf Lebensweise und Sinnerfüllung der Krankheit schließt nicht aus, ja, er bedingt sogar, den Patienten zu überzeugen, zu motivieren, zur Mitarbeit zu gewinnen. Ihm jedoch die Entscheidung für vielleicht lebensrettende Maßnahmen oder einzuschlagende Richtungen freizustellen, ist in allen Fällen schwererer Erkrankungen schlichtweg falsch. Dieser Tatsache wurde vom Gesetzgeber im Verhalten des Arztes bekanntlich auch Minderjährigen und Bewußtlosen gegenüber Rechnung getragen. "Alternative" bzw. ganzheitsmedizinische Krebstherapie bedeutet nicht nur Wechsel oder Erweiterung der Mittel und Methoden, sondern Arztsein in anderen Dimensionen. Damit ist gemeint, daß eine solche Heilkunde erfolgreich besonders dann - und nur dann - sein kann, wenn der kranke Mensch zur verlorengegangenen Ordnung und Ganzheit aufgerufen und zurückgeführt wird, wie es schon der erste Ganzheitstherapeut des 20.Jahrhunderts BIRCHER-BENNER gelehrt hat. Moderne Psychosomatik beinhaltet immer die alte Weisheit positiven, religiösen Empfindens und Denkens. Die Imagination des Guten, Vollkommenen - Gegenstand vieler Heilslehren - die Visualisierung der Gesundheit im Zustand der Meditation ist die Vorstufe ihrer Wiedergewinnung. Der Patient ist auf diesem Weg mehr als bei der rein somatisch orientierten Therapie zur Mitarbeit an seiner leiblichen und seelischen Genesung beteiligt. Wer zu meditieren gelernt hat, braucht weniger Arznei, weniger Schmerzmittel als einer, der alle Hilfe von außen erwartet und seine Krankheit einfach als Reparaturbedürftigen Defekt auffaßt. Beklagenswert und einer humanitären ärztlichen Hilfeleistung ungemein hinderlich ist die vorwiegend durch das Fernsehen und die Laienpresse geförderte Anspruchshaltung der Mehrzahl unserer Mitmenschen. Sie äussert sich in der Erwartung, zumindest in der ungerechtfertigten Hoffnung, daß auf Grund der technischen Perfektion medizinisch heute fast alles machbar sei (und von den Kostenträgern bezahlt werde). Es wäre dringend notwendig und nützlich, wenn sich die Menschheit - wie früher - wieder etwas mehr der Selbstverantwortung und der Demut vor einem höheren Schicksalswalten befleißigen würden. Die Tatsache, daß der Krebskrankheit im Gegensatz zu den meisten anderen schweren Erkrankungen eine "moralische" Qualität, nämlich die der Bösartigkeit zuerkannt wurde, bewirkt bei den davon Betroffenen das Gefühl der Stigmatisation, der Unreinheit, des Ausgestossenseins. Diese Zwangvorstellung bemüht sich die Psychagogik dem Kranken oder Rekonvaleszenten abzunehmen, indem sie ihn zur Akzeptanz seines Leidens als zwar schwierigen, aber nicht ungewöhnlichen Abschnitt und Wendepunkt seines Lebens bewegt. Das heilsame Gefühl der Geborgenheit und Zugehörigkeit stellt sich am besten im Kreis der sich richtig verhaltenden Familie ein. In anderen Fällen ist bei tiefer sitzenden Ängsten, Konflikten oder Vereinsamungsgefühlen der Anschluß an eine gut und zwanglos geführte Patienten-Selbsthilfegruppe empfehlenswert. Ist auch dieser Weg nicht ausreichend, so stehen die verschiedenen psycho-onkologischen Therapieformen zur Verfügung, die in den anderen Abschnitten des Kapitels 10 beschrieben werden. Zusammenfassend kann zum Thema Psychoonkologie gesagt werden:Die Krebspatienten werden im Gegensatz zu früher heute in der Regel über ihr Leiden aufgeklärt. Das ist gut und notwendig, wenn es mit den richtigen Worten erfolgt, wobei das ominöse Wort „Krebs“ nötigenfalls zunächst sogar vermieden oder umschrieben werden kann. In den Kliniken werden die Patienten neben ihrer konventionellen Therapie außerdem in der heute üblichen Weise psychosozial betreut. Auch das ist sehr begrüßenswehrt. Aber beides genügt nicht, um die Patienten in ihrer gestörten Wesenseinheit Seele-Geist-Körper wieder aufzubauen und zur Harmonie zu führen. In ihrer Mehrzahl fühlen sie sich auch nach erfolgreicher klinischer Behandlung alleingelassen, unverstanden, benachteiligt, verstümmelt, ihrem Schicksal ausgeliefert. Spätestens jetzt bedarf es der therapeutischen Einheit Arzt, Patient, Familie, Freundeskreis, Arbeitskollegen. Der innere Heilungsvorgang ist so wichtig wie der äußere. Er bedarf der einfühlsamen Zuwendung, der menschlichen Nähe und Wärme, des Trostes in den Stunden des Schmerzes oder auch drohender neuer Gefahr, und der beständigen Übertragung geistiger Kräfte. 1986 war in der keineswegs zu Mystizismus neigenden Medical Tribune das erstaunliche Ergebnis einer Doppelblindstudie mit der Überschrift "Beten lassen hilft" zu lesen. Der Kardiologe Randy Bird, Professor an der Berkeley Universität in Kalifornien, bildete zwei randomisierte, vergleichbare Gruppen von Patienten mit akuten kardio-pulmonalen Erkrankungen. Beide wurden unterschiedslos nach klinischen Gesichtspunkten behandelt, bei einer Gruppe wurde zusätzlich veranlaßt, daß Angehörige oder Freunde landesweit in ihren verschiedenen Konfessionen regelmäßig beten sollten, ohne daß die Kranken und die behandelnden Klinikärzte etwas davon wußten. Nach einer bestimmten Zeit der Beobachtung ergab sich, daß unter diesen Patienten nur 3, unter den ohne Fürbitte verbliebenen 16 Antibiotika benötigten, 6 gegenüber 18 Lungenödeme bekamen und keiner gegenüber 12 intubiert werden mußten. Zwei weitere Kardiologen, Kennel an der Mayo-Klinik in Rochester, und Merrimen, Medical Center in Tulsa, gaben an, selbst für ihre Patienten zu beten und halten dies für einen Bestandteil ihrer Therapie, auch wenn der Betreffende nichts davon weiß oder keine religiöse Einstellung hat. Bei Jacobus 5,16 steht „Betet für einander, auf daß ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstgemeint ist." Als Resultat aller hier dargestellten Teilbereiche und Nutzanwendungen der Psycho-Onkologie darf folgendes festgestellt werden: Die Einbeziehung der psychischen Sphäre des Krebspatienten in die Therapie muß als indispensable Ergänzung des klinischen Vorgehens gegen den Tumor, insbesondere aber als integraler Bestandteil der ganzheitsmedizinischen Behandlung Krebskranker und Krebegefährdeter gefordert werden. Voraussetzungen zur Erfüllung dieser Aufgabe durch die hierfür geeigneten Onkologen sind:
Die positive zwischenmenschliche Influenz kann sogar dann zu objektivierbaren Heilerfolgen führen, wenn sie sich auf dem Umweg über Außenstehende und ohne Wissen des Kranken diesem in Gebetsform zuwendet. Abgesehen von vielen Beispielen aus der Geschichte wurde dies neuerdings durch eine randomisierte Doppelblindstudie des Kardiologen BYRD an 192 Herzpatienten in den USA dokumentiert und unter dem Titel "Beten lassen hilft" in der gewiss streng wissenschaftlich orientierten Zeitschrift MEDICAL TRIBUNE (8/1986) veröffentlicht. Dabei ergab sich, daß nach den Gebeten der dazu aufgerufenen Mitglieder verschiedener Religionen (Katholiken, Protestanten, Israeliten) im Vergleich mit einer ohne diese Fürbitte verbliebenen Gruppe Herzkranker nur 3 Patienten gegenüber 16 eindeutig Medikamente benötigten, 6 gegenüber 18 Cardial Dekompensierten und kein einziger gegenüber 12 einer Sauerstoffbeatmung bedurfte. Zwei weitere Kardiologen und Professoren, KENNEL von der Mayo Medical School in Rochester und MERRIMAN vom Medical Center in Tulsa, pflegen selbst für ihre Patienten zu beten und halten dies für einen therapeutisch weiterführenden Weg, auch wenn der Patient, dem das Gebet gilt, nichts davon weiß oder keine religiöse Einstellung hat. "Betet für einander, auf daß ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist" (Jakobus 5,16). In einer Vorstellung müssen wir unsere Krebspatienten immer wieder bestärken: Krebs ist nicht unheilbar! Er bedeutet einen Zusammenbruch der Lebenskraft. Aber diese läßt sich regenerieren. Damit fängt man am besten beim inneren Menschen an. In der Erforschung therapeutischer Anwendung der Psychagogik und Psycho-Onkologie stehen wir erst ganz am Anfang. Aber sie ist eine Realität. Und sie wird sich bei der Bekämpfung der anderen bedrohlichen Immunschwäche, der AIDS-Krankheit, eines Tages genauso bewähren wie bereits heute bei Krebs. |
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